Sommer, Sonne und Grillen gehören für euch untrennbar zusammen? Und Würste sind euer liebstes Grillgut? Nach jedem neuen Fleischskandal vergeht euch aber zumindest vorübergehend der Appetit? Und die Skepsis gegenüber dem Innenleben industriell hergestellter Würste wächst? Denn wer weiß schon, was sich alles unter der prallen Haut verbirgt? Raphael Schaad weiß das sehr genau, denn er wurstet nicht nur selbst, er bringt auch anderen Menschen bei, wie sie ihre eigenen Würste herstellen.
Wurstcoach und Philosoph
Raphael Schaad bezeichnet sich selbst als Wurstcoach. Der 30-Jährige besitzt ein kleines Wurststudio in Mainz und veranstaltet mobile Seminare. Dafür kommt er in die Gärten und Wohnzimmer seiner Kunden, um bei ihnen die Leidenschaft für das „Wursten“ zu entfachen. Bevor er seine Passion zum Beruf machte, hat Raphael Schaad aber noch einen kleinen Umweg eingeschlagen: Denn eigentlich ist er studierter Philosoph. Und so ist es ein großes Vergnügen, ihm zuzuhören, wenn er über die Kunst der Wurstherstellung philosophiert.
Zu Besuch bei den Kölner Grillsportfreunden
Freitagabend 17:30 Uhr. Fünf junge Männer stehen erwartungsvoll um einen großen Wohnzimmertisch herum. Sie bezeichnen sich selbst als Grillsportfreunde, weil sie genauso leidenschaftlich gerne Sport treiben wie grillen. Würste selbst zu machen, ist für sie allerdings eine Premiere. Als Grillsportfreunde haben die jungen Männer aber natürlich eine besondere Beziehung zur Grillwurst und sind entsprechend neugierig auf den Event. Habt ihr schon mal von den Sonnenschweinen in der Steiermark gehört? Besseres Fleisch werdet ihr in Europa nicht finden.
Den Anfang machen die Gewürze
Am Anfang eines jeden Wurstseminars steht eine kleine Gewürzkunde: Das Wichtigste beim Würzen ist, dass man sich traut, Neues auszuprobieren. Und nicht immer nur Salz, Pfeffer und Paprikapulver nutzt, sondern zum Beispiel auch mal Muskatblüten. Da aber die wenigsten Menschen mit dem Geschmack exotischer Gewürze vertraut sind, stellt Raphael Schaad sie einzeln vor. Rund 30 Verschiedene hat der Experte bei den mobilen Wurstseminaren stets dabei. Die Teilnehmer öffnen die kleinen Gewürzdosen. Riechen am Inhalt und diskutieren angeregt, welche Mischung sie für ihre erste Wurst nehmen wollen. Dabei füllt sich der Raum mit berauschenden Gerüchen.
Die Zusammensetzung des Fleisches
Mindestens genauso wichtig wie die richtige Gewürzauswahl ist die Zusammensetzung des Fleisches. Speck und mageres Fleisch müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen: 2/3 mager, 1/3 fett. Der Wurstcoach achtet natürlich stets sehr genau darauf, wo das Fleisch für seine Würste herkommt und bezieht es immer regional vom Metzger seines Vertrauens, der ausschließlich mit örtlichen Schlachthäusern zusammenarbeitet. Auf Wunsch kommt das Fleisch auch in Bio-Qualität.
Vor anderthalb Jahren hat der 30-Jährige mit dem Wursten angefangen – seither wächst das Interesse an seinen Kursen kontinuierlich. Lebensmittelskandale und der Wunsch nach qualitativ hochwertiger Nahrung bescheren ihm mehr und mehr Kunden. Wenn es ans Eingemachte geht, haben einige allerdings doch Manschetten. Denn viele Menschen ekeln sich vor den Därmen.
Der Darm ist der Knackpunkt
Raphael Schaad behauptet scherzhaft, dass er arbeitslos wäre, wenn es die Därme nicht gäbe. Denn hier herrsche eine große Scheu. Deshalb würde er am liebsten eine „Darm-Mensch-Kennenlernschule“ einrichten, bei der die Menschen alles über die elastischen Stränge erfahren, die auf den ersten Blick an Endloskondome erinnern. Für Raphael Schaad selbst ist das alles vertrautes Terrain: Bereits als Kind erlebte er im ländlichen Oberfranken, was artgerechte Tierhaltung und Hausschlachtung bedeuten. Gegrillt wurde nur, wenn es frische, selbstgemachte Würste gab.
Ein Fleischwolf muss her
Bevor die Därme zum Einsatz kommen, muss aber erst einmal das Fleisch zerkleinert werden. Raphael Schaad erklärt den Teilnehmern die beiden möglichen Alternativen: Den Metzger um Unterstützung bitten oder selbst in einen Fleischwolf investieren. Gute gibt es bereits ab ca. 200 Euro. Im Wurstseminar kommen natürlich ein professioneller Fleischwolf zum Einsatz.
Während ein Grillsportfreund vier Kilo gut gewürztes Fleisch durch den Wolf dreht, widmet sich ein anderer der zweiten Wurst. Und schneidet dafür Parmesan. Denn die jungen Männer haben sich für besondere Kombination entschieden: die Salbei-Parmesan-Wurst.
Salbei-Parmesan ist ein absoluter Renner
Wenn Raphael Schaad gelegentlich auf Stadtfesten seine Würste verkauft, ist die Salbei-Parmesan-Wurst der absolute Renner. Sie werden ihm regelrecht aus den Händen gerissen. Auch Wildschwein Apfel-Walnuss ist stets sehr beliebt. Wer Industrieware gewohnt ist, wird bei diesen Kombinationen staunen. Alle Rezepte versteht Raphael Schaad aber lediglich als Anregung. Der junge Mann möchte niemanden Vorschriften machen. Einen Tipp gibt er seinen Kunden aber stets: Man sollte nichts essen, was die eigene Großmutter nicht erkennt!
Die letzten Schritte
Nachdem das Fleisch verkleinert ist, kommt der letzte, entscheidende Schritt: Das Brät muss in die Därme gefüllt werden. Dafür gehen die Kursteilnehmer zum Waschbecken in der Küche. Füllen die Därme mit Wasser auf, damit sie sich entfalten können und das Fleisch gut hineinpasst. Das passiert mit Hilfe eines zylinderartigen Wurstfüllers. An dessen Ende befindet sich ein kleines Rohr, auf das der Wurstcouch vorsichtig den Darm aufzieht.
Oben kommt das Brät in den Wurstfüller hinein. Und während ein Teilnehmer kurbelt, achtet ein anderer darauf, dass der Darm sich langsam und stetig mit Fleisch füllt. Von kleinen Unregelmäßigkeiten abgesehen, ist die Wurst perfekt gefüllt.
Jetzt muss die lange Schlange nur noch in handliche Würste zerlegt werden. Das passiert durch gefühlvolles Schleudern. Und dann ist es endlich soweit: Die handgemachten Würste sind fertig für den Rost.
Der Lohn für die Mühen
Knapp drei Stunden Arbeit – dann sind die Würste fertig und kommen auf den Grill: Die Salbei-Parmesan Wurst und die intensiv gewürzte Spezialmischung. Der Geschmack der Würste entschädigt vollauf für die Arbeit. Denn sie schmecken nach den einzelnen Gewürzen, natürlich und vor allem lecker.
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