Die Winzer im Siebengebirge sind Profiteure des Klimawandels und der Wein, der in NRW angebaut wird, wird immer besser. Der örtliche Riesling, der zu Adenauers Zeiten noch als Essig geschmäht wurde, gilt heute als Topwein. Das hat auch Kay Thiel ermuntert mit dem Weinbau in NRW zu beginnen. In einem Alter, in dem andere an die Rente denken, hat der gebürtige Kölner sich seinen Lebenstraum erfüllt und ist als erster Bio-Winzer im Siebengebirge durchgestartet. Übrigens: der Wein aus dem Siebengebirge kann vor Ort in urigen Lokalen genossen werden. Und wer sich vorher ein wenig bewegen will, findet im Siebengebirge ganz hervorragende Wandermöglichkeiten.
Historischer Weinberg der Zisterzienser
Kay Thiel macht Weinbau auf 35 Rheinkilometern. Wer zwischen seinen Reben steht, sieht den Rhein und auch den Petersberg. Einer seiner Weinberge, das Pfaffenröttchen, wurde bereits 1329 von den Zisterziensern als Hausweinberg ausgesucht. Die Mönche vom benachbarten Kloster Heisterbach – von dem heute nur noch Ruinen stehen – wussten um die besten Lagen. Der Autodidakt Kay Thiel musste sich dieses Wissen mühsam aneignen.
Lang gehegter Traum
Kay Thiel ist heute 59 – in diesem Alter denken viele an die Rente. Der leidenschaftliche Winzer hat hingegen mit seinem dritten Beruf gestartet. Zuvor war er als selbstständiger Berater in der IT und als Schauspieler am Kölner Schauspielhaus tätig. Am Weinbau fasziniert ihn die Zusammenarbeit mit der Natur. Das sei ein ungeheuer spannender Prozess und er lerne jeden Tag – doch letztlich passiere das, was die Natur will, sagt der Winzer.
Extra-Tipp: In Oberdollendorf, einem Ortsteil von Königswinter, gibt es einen 2 Kilometer langen Weinwanderweg, der auf 15 Schautafeln über den Wein aus dem Siebengebirge informiert. Alle Infos zum Weinwandern und Weingenuss im Siebengebirge.
Wein aus dem Siebengebirge – Von und mit der Natur leben
Die Natur gewähren lassen, statt sie auszubeuten. Wie ein solches Arbeiten mit der Natur überhaupt funktionieren kann, hat Kay Thiel lange nur theoretisch studiert. 18 Jahren lang las er Bücher und besuchte Seminare. 2016 kaufte er dann den ersten Weinberg im Siebengebirge und lernt seither bei der täglichen Praxis. Eines war Kay Thiel dabei immer klar: er würde einen Biolandbetrieb betreiben.
Der erste Bioland-Betrieb
„Wir hier im Mittelrheintal sind echte Klimaprofiteure“, erklärt Kay Thiel. Der Klimawandel und eine verbesserte Bewirtschaftung haben dazu geführt, dass der lange belächelte Wein aus dem Siebengebirge heute deutschlandweit Anerkennung erfährt. Für den Riesling ist NRW mittlerweile sogar eine der besten Lagen in Deutschland. Wohingegen aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen in Baden keine Rieslingtrauben mehr angebaut werden. Und an der Mosel wird bei jeder Neubepflanzung genau überlegt, ob Riesling noch Sinn macht.
Auch im Siebengebirge Klimaschäden
Doch bei die Winzer im Siebengebirge haben mit Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Wer genauer in die Rebstöcke hineinschaut, entdeckt kleine, verbrätzelte Trauben, die an Rosinen erinnern. Sie entstehen, wenn es so warm ist, dass die Pflanze die Beeren nicht mehr mit Feuchtigkeit versorgen kann. Dann sehen die Früchte aus, als ob Sie die zehn Minuten im Toaster gewesen wären.
Wein aus dem Siebengebirge – Kooperation der Winzer
Mit den getoasteten Trauben haben alle Winzer im Siebengebirge zu kämpfen. Auch Felix Pieper, der den Quereinsteiger Kay Thiel nach Kräften unterstützt. Die Weinberge der Familie Pieper liegen malerisch zu Füßen des Drachenfels. Poppig pinke Rosen wachsen vor den Rebstöcken und wuchtige, graubraune Trachytfelsen thronen dahinter.
Der Weinkeller der Familie liegt direkt an der Felswand. Silbrig schimmernde Edelstahltanks stehen dicht an dicht in der Halle. Rund 70.000 Liter Wein von Piepers wird hier dieses Jahr ausgebaut werden – und 4.000 von Kay Thiel. Der Neuling darf die Weinpressen und Pumpen des Traditionsunternehmens mitbenutzen. Generell, so erzählt Felix Pieper, arbeitet die junge Generation der Winzer eng zusammen, um so gemeinsam voranzukommen.
Urige Einkehrmöglichkeiten
Unmittelbar neben dem Keller der Familie – mit Blick auf das Rebenmeer – liegt das Weinhaus Domstein. Hier kann der Wein aus dem Siebengebirge in uriger Atmosphäre genossen werden.
Eine weitere schöne Einkehrmöglichkeit ist das Gut Sülz, der ehemalige Wirtschaftshof vom Kloster Heisterbach, auf dessen historischen Hausberg heute die Bioweine von Kay Thiel gedeihen.
Wein aus dem Siebengebirge – quo vadis?
Auch wenn die Qualität der örtlichen Weine immer besser werden, ist der Weinbau im Siebengebirge immer noch ein Knochenjob, denn es gibt hier nur Steil- und Steilstlagen. Das ist arbeits- und kostenintensiv. Deshalb hoffen die vier Winzerfamilien, die es heute noch in der Region gibt, auf eine bessere Bezahlung ihrer Produkte. Das Vorbild der Siebengebirgswinzer sind die Kollegen im Ahrtal. Schon vor 30 Jahren haben die dortigen Winzer gemeinsame Qualitätsregeln geschaffen und so das Preisniveau für die Ahrweine deutlich anheben können.
Zukunftsweisendes Konzept – „RheinAhrWein“
In einer kleinen Bonner Weinhandlung stehen die Flaschen von Kay Thiel direkt neben denen aus dem Ahrtal. Benjamin Häfner hat mit „Rhein Ahr Wein“ ein Konzept geschaffen, das dem Gedanken der Regionalität 100 prozentig gerecht wird.
Denn der Focus „regional“ bedeutet bei ihm tatsächlich, dass alle Weine aus einem Radius von vielleicht 50 Kilometern stammen. Benjamin Häfner ist ausgebildeter Weinberater und hat die kleine Vinothek in Bonn-Kessenich erst im Frühjahr eröffnet. Anfänglich musste er ein wenig Überzeugungsarbeit für die regionalen Weine leisten, aber das Konzept geht bereits auf. Denn das Interesse an regionalen Produkten wird immer größer und die Menschen genießen den Wein aus dem Siebengebirge direkt vor Ort in der kleinen, gemütlichen Vinothek.
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