Münster ist bekannt für seine Fahrräder und Studenten. Als Verhandlungsort des Westfälischen Friedens. Und als Stadt der Wiedertäufer. Doch warum sich dieses hochdramatische Geschehen ausgerechnet in Münster abgespielt hat, ist weniger bekannt. Und so wird immer wieder gefragt: warum ausgerechnet Münster? Denn eigentlich hätte es auch jede andere Stadt in Deutschland oder dem benachbarten Ausland sein können, die durch Glaubenskonflikte zerrissen war. Doch gerade in Ostwestfalen ereigneten sich um das Jahr 1534 ganz ungewöhnliche Wetterphänomene. Nicht zuletzt sie ließen Münster, das Königreich der Wiedertäufer, entstehen.
Wetterphänomene kündigten den Weltuntergang an
Bevor es wissenschaftliche Erklärungen für Himmelsphänomene gab, wurden sie stets als Botschaften interpretiert. Und je unerklärlicher die Phänomene waren, desto bedrohlicher erschienen sie den Menschen früherer Jahrhunderte. So versetzten sogenannte „Nebensonnen“ die Bewohner Westfalens im Jahr 1534 in große Aufregung. Von „Nebensonnen“ spricht die Wissenschaft, wenn durch Luftspiegelungen am helllichten Tag mehrere Sonnen am Himmel entstehen. Zusätzlich konnten in diesem Jahr nachts Polarlichter über Münster beobachtet werden – die in der Region normalerweise nur sehr selten zu sehen sind. Diese Phänomene wurden zur Leiter für den Aufstieg der Wiedertäufer. Denn sie machten den von ihnen angekündigten Weltuntergang glaubwürdig. Auch das Fehlverhalten des örtlichen Bischofs trug zum Entstehen des kurzlebigen Königreichs der Wiedertäufer bei.
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Münster, das Königreich der Wiedertäufer – Vielweiberei im Namen des Herrn
Durch Luthers Reformation waren in Europa auch extreme christliche Bewegungen entstanden: Sektierer und Sekten, die zum Teil sehr obskure religiöse Theorien vertraten. Unter ihnen war auch eine Bewegung, die die Kindstaufe ablehnte. Erst Erwachsene, die über einen eigenen Willen verfügen, dürften das Sakrament der Taufe empfangen – so ihre Forderung. Deshalb wurden sie von ihren Gegnern, die es sowohl im katholischen wie protestantischen Lager gab, „Wiedertäufer“ genannt. An die Spitze der Gruppe gelangte bald ein Niederländer: Jan van Leiden.
Er hatte in seiner Heimatstadt ein Wirtshaus mit angeschlossenem Bordell betrieben. Mit großer Brutalität errichtete er in Münster sein Regime und ließ sich im August 1534 zum König des tausendjährigen Reichs „Sion“ krönen. Vielweiberei war im Reich der Wiedertäufer legal und der „König“ selbst hatte sogar 17 Ehefrauen. Eine von ihnen war Elisabeth Wandscherer. Als sie sich seinem Allmachtsanspruch widersetzte, brachte er sie eigenhändig um. In aller Öffentlichkeit und unter dem Beifall seiner Anhänger.
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Schreckensherrschaft von kurzer Dauer
Von Münster aus wollten die Wiedertäufer ihr Weltreich errichten. Doch ihre Herrschaft war von kurzer Dauer. Bürger der Stadt, die dem brutalen Schreckensregime ein Ende machen wollten, verrieten den selbst ernannten König und zeigten den bischöflichen Truppen, die Münster belagerten, eine Schwachstelle in der Befestigung. So gelangte das Belagerungsheer am 25. Juni 1535 in die Stadt. Die Truppen erschlugen die meisten Wiedertäufer. Und inhaftieren ihre Führer. Diese wurden barbarisch gefoltert und wochenlang in Käfige gesperrt, die öffentlich zur Schau gestellt wurden.
Insgesamt waren es nur 16 Monate, die das „Tausendjährige Reich“ existierte. Einem breiten Publikum sind die Geschehnisse durch den TV- Zweiteiler „König der letzten Tage“ bekannt geworden. Der Film von 1993, mit Christoph Waltz in der Rolle des Jan von Leiden, zeichnet ein eindrucksvolles Bild von dem religiösen Wahn der damaligen Zeit.
Münster, das Königreich der Wiedertäufer – Als der Weltuntergang ausfiel
„Als der Weltuntergang ausfiel“ – so heißt eine spannende Führung, die in Münster angeboten wird. Rathaus, Prinzipalmarkt, Lambertikirche und natürlich der Dom sind Stationen der Tour. An der Lambertikirche hängen noch heute die eisernen Käfige, in die damals die Wiedertäufer gesteckt wurden. Dabei handelt es sich um die Originale und nicht etwa um Nachbildungen, wie es in vielen Texten heißt. Im Stadtmuseum können Besucher zudem Folterwerkzeuge sehen, mit denen Jan van Leiden und seine Mitstreiter traktiert wurden. Und im Dom sind immer noch die Spuren der ungeheuren Zerstörungswut der Wiedertäufer sichtbar. Stadtführer und Museumsbesucher in Münster berichten, dass das Interesse an den Wiedertäufern aktuell sehr groß ist, da viele Menschen Parallelen zum Islamischen Staat (IS) sehen.
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