Raus in die Natur. Zwischen Wäldern, Wiesen und Weilern die Sorgen der Coronazeit wenigstens für ein paar Stunden vergessen – das war das erklärte Ferienprogramm vieler Menschen in NRW. So weit, so verständlich. Unverständlich wird es hingegen, wenn Erholungssuchende dabei die heimische Natur zerstören. Im Nationalpark Eifel haben Ausflügler massiven Schaden angerichtet und die Ranger zu Dauereinsätzen gezwungen. Ranger Sascha Wilden hat mir die schlimmsten Schäden gezeigt und Tipps gegeben, wohin Ausflügler ausweichen können. Denn es gibt viele schöne Orte, die selbst in Corona-Zeiten nicht überlaufen sind.
Massiver Besucherandrang
Montagmorgen 11 Uhr im Nationalpark. Anstelle von klösterlicher Ruhe herrscht buntes Treiben. Wanderer, Jogger und Radfahrer sind zu Dutzenden unterwegs. Seit Corona die Reiseregeln bestimmt, hat sich vieles verändert, berichtet Ranger Sascha Wilden. Der gelernte Forstwirt ist seit der Gründung des Nationalparks 2004 im Dienst. Dass er Besucher permanent ermahnen muss, ist für ihn eine völlig neue und ausgesprochen unangenehme Situation. Wir sind noch keine fünf Minuten im Nationalpark, als es passiert: Entlang der Urft, zwischen Gmünd und der Urftstaumauer, gibt es nur einen einzigen befestigten Weg und auf dem sind wir unterwegs. Auf der anderen Seite stehen Menschen mitten im Schutzgebiet.
Extra-Tipp: Der Lieserpfad ist ein besonders schöner und nicht zu stark besuchter Fluss-Wanderweg in der Eifel.
Ignoranz und Unwissenheit
Sascha Wilden ist fassungslos, denn für den 49-Jährigen Ranger ist der Nationalpark Eifel viel mehr als nur ein Arbeitsplatz. Naturschutz und Umweltbildung sind für ihn eine Herzensangelegenheit. Seit einigen Monaten muss er aber erleben, dass Menschen die geschützte Eifelnatur mit Füßen treten. Wie das halbe Dutzend Wanderer, das unmittelbar am Ufer der Urft herumtrampelt. Der Ranger steigt sofort aus seinem Dienstfahrzeug aus und klettert die steile Böschung hinab. Über das rauschende Wasser hinweg ruft er die Gruppe zur Ordnung.
Ausweichziel Eifel
Einer der Männer reagiert, stapft durch das flache Flussbett und kommt auf uns zu. Es stellt sich heraus, dass die Gruppe einen Abenteuertrip gebucht hat. Das ursprüngliche Ziel war Norwegen, wie der englischsprachige Guide erklärt, doch wegen Corona wurde kurzfristig umdisponiert. Und das Abenteuer in der Eifel gesucht. Dass ein Nationalpark dafür der falsche Ort ist, kam den Organisatoren überhaupt nicht in den Sinn.
Sascha Wilden stellt die Personalien des Mannes fest und händigt ihm einen Überweisungsträger aus. 50 Euro muss der Exkursionsleiter für die Ordnungswidrigkeit zahlen. Denn für die Natur im Nationalpark ist es eine Katastrophe, wenn die Besucher die Wege verlassen. Die Tiere aufscheuchen und ihre Lebensräume zerstören.
2000 gefährdete Arten im Nationalpark Eifel
Türkei, Ägypten, Spanien – für viele der beliebtesten Urlaubsländer gelten immer noch Reisewarnungen. Das hat diesen Sommer dazu geführt, dass eine ganz neue Klientel in die Eifel kam. Diese Menschen haben keinen Blick für die geballte Schönheit um sie herum. Überall wächst Moos: auf umgestürzten Bäumen, im Flussbett und an dessen Ufer. Sonnenstrahlen dringen durch das Laub und lassen die Farben aufleuchten. Im Nationalpark gibt es über 2.000 Tiere und Pflanzen, die auf der roten Liste der bedrohten Arten stehen: Wildkatzen streifen durch die Wälder, Perlmuttfalter flattern durch die Luft und Springfrösche hüpfen durchs Wasser. Unverantwortliches Verhalten bedroht sie alle.
Unterstützung von Besuchern im Nationalpark Eifel erwünscht
Wenige Minuten später muss Sascha Wilden stoppen, um einen Hundehalter zu ermahnen. Trotz der im Nationalpark geltenden Leinenpflicht laufen viele Tiere frei herum. Und da die 18 Ranger des Nationalparks nicht überall zugleich sein können, richtet Sascha Wilden einen Appell an die Besucher. Wenn verantwortungsvolle Besucher beobachten, dass ein Hund nicht angeleint ist oder dass jemand eine Zigarette raucht, darf ruhig Zivilcourage gezeigt werden. Sprechen Sie die Menschen freundlich, aber entschieden an, rät der Ranger. Oft sei es denjenigen gar nicht bewusst, welche Konsequenzen ihr unbedachtes Handeln hat.
Führungen im Nationalpark Eifel lange unmöglich
Dann stoppt der Ranger beim Birdwatchingpoint am Urftsee. Das Seewasser glitzert im Sonnenlicht. Wasservögel grasen auf den Wiesen. Und Vogelsang, die wuchtige Ordensburg, die die Nazis in den 1930er Jahren errichtet hatten, thront gegenüber. Ein perfekter Aussichtspunkt, den Sascha Wilden Besuchern besonders gerne zeigt. Vor Corona waren die kostenlosen Rangerführungen die vermutlich beliebteste Aktivität im Nationalpark. Wann sie wieder stattfinden können, ist aktuell völlig unklar.
Das hängt stark vom Verlauf der Pandemie und dem Verhalten der Besucher ab, denen – und das betont Sascha Wilden immer wieder – niemand den Spaß an den Ausflügen in die Natur nehmen will. Von Spaß kann allerdings keine Rede mehr sein, wenn alle Ausflügler zur gleichen Zeit an die gleichen Orte im Nationalpark drängen.
Orte abgeriegelt
In den NRW-Sommerferien mussten wiederholt Ortschaften abgeriegelt werden. Denn die mit dem PKW massenhaft angereisten Ausflügler kamen weder vor noch zurück, weder rein oder raus aus den Orten. Erst Feuerwehr und Ordnungsamt konnten die Situation wieder bereinigen.
Zu den meistbesuchten Orte im Nationalpark Eifel zählten in diesem Sommer die Urfttalsperre, das Geisterdorf Wollseifen und der Natur-Erlebnisraum Kermeter. Wer klug ist, meidet diese Orte aktuell und probiert stattdessen neue Ziele aus.
Alternative Ausflugsziele
Denn es gibt sie – die weniger überlaufenen Alternativen: zum Beispiel die schönen Thementouren im Nationalpark Eifel. Das sind Rundwanderwege, die intensive Naturbegegnungen und spannende Ziele bieten: darunter Klöster und Staudämme. Die Routen sind zwischen elf und 14 Kilometer lang – es gibt auf allen Touren aber auch die Möglichkeit, abzukürzen. Wer zu den fünf Themenrouten fährt, findet auch problemlos einen Parkplatz.
Der Ranger empfiehlt regelmäßig auf die Internetseite des Nationalparks zu schauen und sich vor dem Besuch gründlich zu informieren. Denn wir alle wollen uns in der Natur erholen und nicht noch zusätzlichen Stress erleben, indem wir uns mit anderen Menschen, seien es genervte Ausflügler oder überarbeitete Ranger, auseinandersetzen.
Und uns allen ist ja daran gelegen, den einzigen Nationalpark, den es in NRW gibt, für die Zukunft zu bewahren!
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