Der Great West Way verbindet das Beste, was Englands Süden zu bieten hat: abgelegene Herrensitze, üppige Gärten und romantische Dörfer. Über 200 Kilometer folgt die neue Themenstraße der historischen Handelsroute zwischen London und Bristol. Ihr könnt sie per Auto, Bahn oder Schiff erkunden. Auch dutzende Fuß- und Radwege wurden extra angelegt. Insgesamt gibt es 230 Standorte auf dem Great West Way – sie alle vorzustellen, dürfte schwierig werden. Daher beschränke ich mich auf die schönsten Orte in Südengland, die ich selbst besucht habe und euch wirklich empfehlen kann. Denn hier wartet das „echte England“.
Das Städtchen Windsor
Ihr habt nichts gegen Schlange stehen? Besuchermassen schrecken euch nicht? Dann könnt ihr natürlich Windsor Castle, einen der ersten Standorte des Great West Way, besuchen. Zusammen mit tausenden anderen Menschen, die sich tagtäglich durch die Schlossanlage schieben. So schön das Schloss ist – mir ist es viel zu voll. Da das gleichnamige Städtchen weit weniger stark heimgesucht wird, empfehle ich euch einen Spaziergang außerhalb der Schlossmauern.
Geranien und Rosen schmücken hier kleine, windschiefe Geschäftshäuser. Ein Laden verkauft ausschließlich Regenschirme und lässt ein aufgespanntes Exemplar vor seinem Schaufenster baumeln, was ich angesichts des Wetters sehr passend fand. Nebenan gibt es die königliche Familie als Plastikpuppen mit überdimensionalen Köpfen. Und ein paar Meter weiter einen besonders schönen Pub: „The Two Brewers“. Windsor weiß zu gefallen.
Frogmoor House – Wo Meghan & Harry wohnten
Reizvoll ist auch ein Spaziergang im königlichen Park. Er ist so groß, dass ihr hier mehrere Tage verbringen könntet. Alte Wälder, gepflegte Schaugärten, Denkmäler und Wildtiere finden sich auf königlichen Grund. Und: Meghan und Harry wohnten einige Zeit hier. Genau genommen in Frogmoor House. Der royale Rückzugsort liegt mitten im Park. Und offenbar war die junge Familie gegen Fluglärm immun – denn den müsst ihr in Windsor ständig ertragen.
Flussromantik auf dem Great West Way
Von Windsor nach Henley on Thames sind es auf dem Great West Way rund 30 Kilometer. Das Städtchen schmiegt sich zu beiden Ufern an die Themse. Dutzende Schwäne schwimmen im Fluss. Möwen kreisen über ihnen. Und Boote schaukeln sanft im Wind. Die Webseite des Great West Way empfiehlt Reisenden hier eine Schifffahrt. Wer dem Rat folgt, wird belohnt: Mit sattgrünen Flusslandschaften, herrschaftlichen Häusern und einer großen Stille.
Auf der Karte gleicht der Great West Way einer Ringelnatter. Über 200 Kilometer schlängelt er sich durch Südengland. Und Henley on Thames liegt in der zweiten Krümmung des Schlangenkörpers. Wie alle weniger berühmten Standorte erhofft sich Henley on Thames von der Themenroute einen Besucherzuwachs.
In dem perfekt erhaltenen Mittelalterstädtchen leben rund 11.000 Menschen. Eine Steinbrücke aus dem 18 Jahrhundert führt über die Themse. Ihre fünf großen Rundbögen muten römisch an, und am Ende der Brücke liegt das berühmteste Pub der Stadt: „The Angel on the bridge“ – der Engel auf der Brücke. Noch machen die meisten Touristen allerdings lediglich eine Stippvisite in Henley on Thames.
High Tea – das Nationalgericht
Sie buchen eine Rundfahrt und lassen sich an Bord stilecht den High Tea servieren. Auf einer Etagere werden butterweiche Gurkensandwichs gereicht. Dazu Muffins, die mit Erdbeermarmelade und kalorienreicher Clotted Creme gegessen werden, und dutzende kleine Küchlein. So köstlich der High Tea ist, so schwer liegt er im Magen.
Uralter Adel auf Stonor Park
Die nächste Station des Great West Way ist perfekt für einen Verdauungsspaziergang. Stonor Park ist nur rund sechs Kilometer von Henley on Thames entfernt. Seit 850 Jahren lebt Familie Stonor hier. Das Adelsgeschlecht hat einen eigenen Wildpark und wenn die hohen Herrschaften nicht gerade jagen, darf das gemeine Volk lustwandeln. Und das Anwesen besichtigen – eines der ältesten Häuser im ganzen Land, das durchgehend von der gleichen Familie bewohnt wird. Die Stonors können ihre Familiengeschichte bis ins 12. Jh. zurückverfolgen.
Knarrende Dielen. Mannshohe Kamine. Goldgerahmte Gemälde und glänzende Ritterrüstungen – Familie Stonor lebt in einem Museum. Rote, elegant geschwungene Absperrkordeln verhindern, dass Besucher versehentlich die wertvollen Exponate ruinieren. Oder mit fettigen Fingern an die Familienfotos fassen, die offenbar bevorzugt mit den englischen Royals aufgenommen werden. Überraschend sind die prunkvollen Kruzifixe und kitschigen Heiligenbilder – sie wirken im protestantischen England ein wenig deplatziert.
Familie Stonor war immer – und ist es heute noch – katholisch. Das ist auch der Grund, warum das Original Mittelalter Gebäude noch steht. Wenn die Glaubenskriege die Familie nicht auf Trab gehalten hätte, wären sie vermutlich der Mode gefolgt: hätten das alte Gebäude abgerissen und ein neues, größeres Anwesen gebaut.
Gesamtkunstwerk Bowood House
Je weiter ihr auf dem Great West Way Richtung Süden fahrt, desto idyllischer wird es. Stonor Park ist zweifelslos schön – neben Bowood wirkt es wie das Kutscherhaus. Bowood House liegt in der Grafschaft Wiltshire – im letzten Drittel des Weges.
Nichts deutet am Eingang auf das Kommende hin: ein gewöhnlicher Park mit Rasenflächen, Bäumen und einem großen Kinderspielplatz. Dann geht es einen kleinen Hügel hinab und hinter hohen Bäumen erkennt ihr plötzlich ein Meer aus Rosen. Sie blühen in terrassenförmig angelegten Gärten. Überlebensgroße, steinerne Hirsche hocken auf den umgebenden Mauern und scheinen über sie zu wachen.
Lady & Lord Lansdowne leben im Ostflügel des Hauses. Das ist der private Teil des Hauses. Im anderen Flügel wurden die alten Küchen und Stallungen in ein Restaurant umgebaut. Und ihr findet hier sogar ein Hotel.* Säulen. Rundbögen. Erker. Balustraden – der Landsitz ist in einem pompösen Rokokostil erbaut. Auf dem Dach weht eine Fahne mit zwei roten Kreuzen – das Familienwappen. Die Fahne wird aufgezogen, wenn die Familie vor Ort ist.
Die schönsten Gärten in Südengland
In 20 verschiedenen Sorten blühen tausende Rosen auf dem Anwesen. 100 Angestellte kümmern sich um Haus und Garten. Was uns Normalsterblichen als Gipfel des Luxus erscheint, ist aber eigentlich nur ein Nebengebäude. Das historische Haupthaus war so baufällig, dass es 1954 abgerissen werden musste. Übrig geblieben ist glücklicherweise die Orangerie, in der sich heute eine Skulpturen-Ausstellung befindet.
Hoteltipps für den Great West Way
Ihr wollt euch einmal selbst wie Lord & Lady fühlen? Dann gönnt euch doch eine Nacht im „The Langley“. Das neueröffnete Luxushotel liegt in Iver,* unweit von Windsor. Der Landsitz wurde vom III. Duke of Marlborough errichtet und kann getrost als Gesamtkunstwerk gelten.
Wenn euch die Preise schrecken, könnt ihr auch einfach zum High Tea oder Dinner in das sensationelle Hotel* kommen. Es lohnt sich!
Natur pur – Greenlands Hotel
In der Mitte zwischen Henley on Thames und Stonor Park liegt das Greenlands Hotel.* Die Preise sind weit moderater. Die Zimmer alle modern und schick gestaltet. Und zwischen den einzelnen Gebäuden liegen Wiesen und Wälder. Das Hotel gehört zur Henley Business School – davon bekommt ihr auf den Zimmern aber nichts mit.
Very British nächtigen
Das Cricklade House Hotel in Swindon* bietet euch einen typisch englischen Charme und ein sensationelles Frühstück mit Ausblick. Auch einen Goldplatz gibt es hier.
Geheimtipp auf dem Great West Way
Ländliche Anwesen wie Stonor Park und Bowood House liegen zu Dutzenden am Great West Way. Und vermutlich ist jedes einen Besuch wert. Aber ich möchte euch hier auch Orte vorstellen, die einfach und dennoch zauberhaft sind. Wie das Honeystreet Mill Café. Es liegt wildromantisch an einem kleinen Kanal, bietet ausschließlich Fair Trade Produkte an und ihr könnt hier auch Boote für eine Tour auf dem Kennet and Avon Kanal anmieten.
Kennet and Avon Kanal
Von London-Paddington nach Pewsey in der Grafschaft Wiltshire, wo das Café liegt, dauert es mit dem Zug genau 1 Stunde und 6 Minuten. Und schon seid ihr in einer der romantischsten und untouristischsten Regionen des ganzen Landes. Rad- und Fußwege verlaufen parallel zum Kennet and Avon Kanal.
Früher wurde Holz über den Kanal aus Bristol gebracht, das für den Schiffsbau genutzt wurde. Die Industrie ist natürlich schon lange verschwunden, umso mehr freuen sich die Menschen in der Region über den Great West Way. Denn sie hoffen, dass mit ihm mehr Touristen kommen, um das „echte England“ zu entdecken.
Kochen und genießen auf dem Great West Way
Die Grafschaft Wiltshire war vor 20 Jahren noch weitgehend unbekannt. Und es gab so gut wie überhaupt keinen Tourismus. Dabei gilt die Region als kulinarischer Hotspot – auch wenn das in England erst einmal überraschen mag. Aber tatsächlich gedeihen hier viele agrarische Produkte, sogar Wein. Von dessen Qualität habe ich mich persönlich überzeugt: Beckett’s Vineyard liegt nicht nur extrem idyllisch, die Weine munden und werden von höchst amüsanten Erzählungen begleitet. Winzer Paul Langham ist ein Original und allein dafür lohnt es sich, ein Tasting auf dem Weingut zu buchen.
Das gleiche gilt auch für die Kochkurse, die in Vaughans Cookery School angeboten werden: Heimische Produkte, typische Rezepte der Region werden unterhaltsam von Koch Peter Vaughn serviert. Beide Einrichtungen gehören zum Great West Way, genauso wie die folgenden Hotels. Sie machen eure Reise auf der neuen Themenstraße zum Ereignis.
Bahnreisen auf dem Great West Way
Extra-Tipp: Bahnreisen sind in der Region besonders schön. Es gibt einen speziellen 7-Tage-Pass, den ihr als Hop-on und Hop-off-Ticket nutzen könnt. Ich habe noch nie so freundliches und hilfsbereites Personal erlebt, wie bei der örtlichen Regionalbahn: Great Western Railway. In der 1. Klasse werden sogar kostenfreie Getränke und Snacks am Platz serviert.
Weiterführende Links
Die Recherchereise wurde von visit England unterstützt.
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