Wenn ich Reiseberichte über NRW lese, muss ich oft schmunzeln. Denn dort werden regelmäßig überlaufene Orte als „Geheimtipps“ angepriesen. Etwa: Monschau in der Eifel. Oder Schloss Drachenburg in Königswinter. Natürlich sind beide Orte ganz wunderbar, aber sicher sind sie nicht „geheim“. Die 5 Städtchen und Einrichtungen, die ich in diesem Bericht vorstelle, können hingegen als echte Geheimtipps in NRW gelten. Es sind Kleinode mit großer Geschichte, die häufig von engagierten Vereinen betrieben werden. Auf den ersten Blick können sie mit den großen, touristischen Attraktionen nicht mithalten; auf den zweiten Blick entpuppen sie sich aber als faszinierende, eigenständige Welten.
Die historische Ölmühle in Salzkotten
Die historische Ölmühle in Salzkotten ist ein echtes Kleinod. Das ganze Gelände mutet wie aus einem alten Film an. Ein Mühlbach plätschert. Sein Wasser schimmert in einem intensiven Grün. Und liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser spiegeln sich auf der Oberfläche. Im Zentrum der kleinen Häuser steht die historische Mühle, in der Öl wie vor 200 Jahren hergestellt wird. Kaltgeschlagen, nicht kaltgepresst, ganz so wie es die Müller vor Jahrhunderten gemacht haben.
Dass es den kleinen, verwunschenen Ort gibt, ist einem örtlichen Verein zu verdanken. Die Mitglieder kümmern sich um den Erhalt alter Handwerkstraditionen und bieten regelmäßig Führungen an. Dabei erfahren Besucher, wie wertvoll das hier produzierte Rapsöl ist. Da bei der aufwändigen Prozedur allerdings nur winzige Mengen herauskommen, verschenkt der Verein das Öl grundsätzlich. Es eignet sich nicht nur für die Küche, sondern auch für die Hautpflege. Gerade Kinder mit Neurodermitis profitieren davon. Und im Herbst bringen Besucher ihre Walnüsse oder Bucheckern vorbei; daraus wird dann ein ganz individuelles Nuss-Öl hergestellt.
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Geheimtipps in NRW: Apfelstadt Tönisvorst
Bienen summen. Vögel zwitschern. Und soweit man schaut, stehen Apfelbäume in Reih und Glied. Das kleine Tönisvorst am Niederrhein gilt als die Apfelstadt in NRW. Denn hier herrscht ein ausgesprochen gutes Klima für den Anbau; die Ackerböden sind legendär und dementsprechend gut schmecken die örtlichen Äpfel. Spaziergänge und Radtouren rund um die Apfelstadt bieten neben dem optischen auch einen olfaktorischen Genuss. Intensiv zu erleben bei einer Schlemmertour, die von der Stadt angeboten wird.
Teilnehmer haben die Wahl: Sie können entweder 15 Kilometer von Café zu Café wandern, oder mit dem Rad 27 Kilometer von Station zu Station fahren. In beiden Fällen sind diverse kulinarische Stopps eingeplant, die natürlich das Apfel-Thema bespielen.
Kleiner Hofladen mit großem Apfelangebot
Solange Corona das Land noch fest im Griff hat, fallen die allermeisten touristischen Angebote flach. Einen schönen Eindruck vom Apfelreichtum der Region gibt es aber auch auf dem Obsthof Unterweiden. Der Bauernhof ist ganz typisch für den Niederrhein und schon seit 100 Jahren in Familienbesitz. Rund um den historischen Hof werden klassische Sorten wie Elster, Jonagold, Boskoop und Cox angebaut, aber auch Raritäten, wie die Rubinette oder der Welland Apfel. Sämtliche Sorten können in dem kleinen Hofladen des Obsthofes geshoppt werden und dazu noch besondere Delikatessen, wie eine köstliche Apfelmarmelade. Natürlich hausgemacht. Bäuerin Anne Panzer stellt sie aus Elster-Äpfeln und Holunder her.
Geheimtipps in NRW: Glasstadt Linnich
Rund 50 Kilometer von der Apfelstadt Tönisvorst entfernt, liegt die Glasstadt Linnich. Hier gibt es die älteste Glasmalerei-Werkstatt Deutschlands und das einzige Museum, das sich dieser Kunstform widmet. Das erklärte Ziel der Museumsbetreiber ist es, die Glasmalerei aus ihrem Nischendasein herauszuholen und als eigenständige Kunstform zu etablieren. Um aus der grauen Theorie eine schillernde Praxis zu machen, bietet das Museum spezielle Kurse an, in denen Kinder und Erwachsene die Techniken der Glasmalerei erlernen.
Grüne Stadt mit viel Geschichte
Aber auch abseits des ungewöhnlichen Museums ist die Glasstadt einen Ausflug wert. Rund um den Ortskern führt eine Promenade. Hier können Besucher im Schatten von Bäumen spazieren gehen und Orte wie den alten jüdischen Friedhof oder die Linnicher Gärten kennenlernen. Der jüdische Friedhof wird von der Stadt liebevoll gepflegt und besitzt eine ganz besondere Atmosphäre. Alte, verwitterte Grabmale stehen hier im Schatten mächtiger Bäume.
Gleich neben dem Friedhof liegen die Linnicher Gärten – eine Ansammlung von Schrebergärten, durch die schattige Allen führen. In den Gärten leuchten Dahlien in allen Farben des Regenbogens und die ersten Tomatenstauden zeigen ihre prallen Früchte. Auch hier duftet es überall; der perfekte Ruheplatz während einer Radtour oder Wanderung.
Geheimtipps in NRW: Historische Wäschefabrik
Bielefeld war über Jahrzehnte das Textilzentrum NRWs. Von den ehemals über 250 Wäschefabriken der Stadt existiert heute nur noch die Wäschefabrik Winkler als Museum. Oder besser gesagt als Zeitkapsel, denn hier ist jedes Detail authentisch. Wer die alte Fabrik betritt, sieht, hört und riecht die Produktion früherer Tage. Weil hier tatsächlich noch die alten Stoffe gelagert werden. Schnittmuster, Akten und Kartons haben ebenfalls die Zeit überdauert. Highlight des Museums ist der große Nähsaal, in dem Dutzende historische Nähmaschinen stehen. Alle sind funktionstüchtig und machen einen Heidenlärm, wenn die Mitarbeiter sie anstellen.
Bei Führungen berichten die Museumsmitarbeiterinnen, unter welchen Bedingungen die Frauen früher in der Fabrik schuften mussten. Die zumeist jungen Näherinnen waren damals Tag für Tag der ohrenbetäubenden Geräuschkulisse ausgesetzt. Um die Erinnerungen und das Wissen zu bewahren, engagieren sich einige von ihnen heute ehrenamtlich für den Verein der Wäschefabrik – und nähen auf Bestellung ganz individuelle Wäschestücke.
Extra-Tipp: Bielefeld hat viel zu bieten – sogar eine wunderschöne Kirschblüte.
Das Archäologische Freilichtmuseum in Oerlinghausen
Auch das Archäologische Freilichtmuseum in Oerlinghausen ermöglicht eine Zeitreise: durch 12.000 Jahre Menschheitsgeschichte. Auf dem weitläufigen Gelände stehen Zelte, in denen eiszeitliche Rentierjäger gehaust haben. Daneben finden sich Hütten aus Birkenrinden, in denen die Menschen der Mittelsteinzeit lebten. Besonders stolz ist man in Oerlinghausen auf die Rekonstruktion eines frühmittelalterlichen Hallenhauses, das wirklich beeindruckend ist. Wer die große, dunkle Halle betritt, riecht erkaltete Feuerstellen und die für den Bau verwandten Hölzer.
Wie gefallen euch meine Geheimtipps in NRW? Kanntet ihr einen der Orte bereits, oder habt ihr vielleicht weitere Tipps abseits der touristischen Trampelpfade? Ich bin gespannt…
B Meier meint
Echte Geheimtipps, Respekt
Antje meint
Danke schön… 🙂