Um das besondere Flair der Niederlande zu erleben, müssen wir nicht nach Amsterdam oder Den Haag reisen. Neben den großen, bekannten Städten des Landes gibt es viele kleinere, die weniger bekannt, aber nicht weniger schön sind. In ihnen finden wir alles, was Hollands Städte so besonders macht: prächtige Herrenhäuser, romantische Grachten und eine weltoffene Mentalität. Die schönsten, kleinen Städte Hollands sind alle vom „Goldenen Zeitalter“ geprägt – einer Epoche, in der Wirtschaft, Kunst und Kultur florierten wie nie zuvor.
1. Die schönsten, kleinen Städte Hollands: Delft
Im 17. Jahrhundert als die Niederlande ihr „Goldenes Zeitalter“ erlebten, war Delft eine der wichtigsten Städte des ganzen Landes. Johannes Vermeer, der neben Rembrandt bedeutendste Maler der Epoche, verbrachte sein ganzes Leben in der Stadt. Die niederländische Ostindien Kompanie, die für den plötzlichen Reichtum der jungen Nation verantwortlich war, hatte in Delft einen ihrer Standorte. Und hier wurde das berühmte Delfter Blau entwickelt.
Wenn ihr am Wochenende durch die Stadt spaziert werdet ihr wahrscheinlich Menschen in historischen Trachten sehen. Und wenn ihr ihnen folgt, gelangt ihr zu einem kleinen Laden, der im Schatten der neuen Kirche liegt.
Auf den Spuren Vermeers in Delft
Die Künstlerin Barbara van Gelder betreibt hier ein kleines Atelier. Als Hommage ans „Goldene Zeitalter“ hat sie eine historische Kollektion entworfen. Inspiration bekommt sie dafür von alten Gemälden. Goldene Verzierungen, üppige Halskrausen und weite Umhänge – insgesamt 50 Personen kann die Künstlerin mit ihren handgeschneiderten Kostümen versorgen.
Fotoshooting in historischen Kostümen
Barbara van Gelder verkauft nur die Erfahrung, nicht die Kollektion. Wer mag, kann sich bei ihr nach Wunsch kleiden und dann fotografieren lassen. Bei Frauen sind zwei Kostüme besonders beliebt, die die Welt Johannes Vermeer verdankt: Das Mädchen mit dem Perlenohrring und die Dienstmagd mit Milchkrug.
Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Barbara verschwindet kurz hinter einem Vorhang und kommt dann als Dienstmagd zurück. Die Verwandlung ist sehr gelungen. Wird aber noch von ihrer Mitarbeiterin übertroffen. Als sie aus der Umkleide tritt, ersteht das Mädchen mit dem Perlenohrring wieder auf. Größe, Statur, und der wissende Blick über ihre linke Schulter bei leicht geöffnetem Mund stimmen perfekt mit dem Meisterwerk überein. 15 Minuten dauert das Express-Arrangement: umziehen, einleuchten, fotografieren. Wer ein Luxus-Arrangement bucht, darf in den historischen Kostümen dann durch Delft spazieren.
Vermeer Zentrum in Delft
Gleich hinter der benachbarten Kirche liegt heute das Vermeer Zentrum von Delft. In dem schmucken Backsteinbau residierte früher die St. Lukas-Gilde. Ihr gehörten damals alle künstlerisch tätigen Männer der Stadt an. Vermeer wurde 1662 zum Gilde-Vorsitzenden gewählt. Kaffeeduft strömt aus der linken Seite, wo ein kleines Café untergebracht ist. Rechts stapeln sich die Vermeer-Devotionalien: Tassen, Schürzen, Bücher – überall schaut das Mädchen mit dem Perlenohrring dem Besucher entgegen.
Im Untergeschoss hängen alle 37 Bilder, die der Künstler in seinem Leben gemalt hat – freilich nur als Reproduktionen. Dennoch sind sie wunderschön anzusehen. Und ihr erfahrt mehr über den Mann, der seinen Zeitgenossen ein Rätsel war.
Hoteltipp für Delft
Das Hotel De Koophandel* liegt super zentral in der Stadt, sodass ihr alles bequem zu Fuß machen könnt. Zudem hat es schöne Zimmer, die das Vermeer-Thema aufgreifen, und ein üppiges, sehr leckeres Frühstück.
Besuch im Royal Delft Museum
Die Ausstellung im Royal Delft Museum ist kein Geheimtipp, aber definitiv einen Besuch wert. Besonders schön ist ein kurzer Stopp im Museumscafé, wo ein besonders leckeres Frühstück serviert wird – natürlich auf Delfter Blau.
2. Die schönsten, kleinen Städte Hollands: Enkhuizen
Unglauben – das war meine erste Reaktion, als ich hörte, dass Enkhuizen einmal so bedeutend wie Amsterdam gewesen sein soll. Euch wird es vermutlich ähnlich gehen. Aber tatsächlich war das pittoreske Städtchen am Ijsselmeer einmal groß und wichtig. Der frühere Reichtum zeigt sich noch heute überall im Stadtbild. Gleich gegenüber der Touristeninformation steht eine große, gusseiserne Tafel. Auf ihr ist ein mittelalterliches Gemälde abgedruckt, das Enkhuizen zu seiner Blütezeit zeigt: Imposante Gotteshäuser und unzählige Giebeldächer quetschen sich innerhalb der Stadtmauern.
Das Goldene Zeitalter in Enkhuizen
Um 1560, kurz vor Beginn des „Goldenen Zeitalters“, lebten in Enkhuizen 22.000 Menschen. Was diese 22.000 Einwohner tatsächlich bedeuten, macht der Vergleich mit den heutigen Zahlen deutlich: Heute ist Enkhuizen dreimal so groß und hat nur 17.000 Einwohner.
Der Reichtum kam mit dem Hering
Der Reichtum begann damals mit dem Hering. Enkhuizen lag an der Zuiderzee – einer Meeresbucht der Nordsee, die später abgetrennt und zum Ijsselmeer wurde – und in ihr gab es riesige Hering-Schwärme. Im „Goldenen Zeitalter“ besaß Enkhuizen die größte Heringsflotte der Niederlande und war zugleich Standort der Ostindien Kompanie. Die Stadt explodierte förmlich: Geld, Waren und Möglichkeiten zogen zehntausende Menschen an. Amsterdam, das nur rund 60 Kilometer entfernt liegt, und Enkhuizen trugen damals einen Dauerwettstreit aus. Wer den letztlich gewonnen hat, dürfte bekannt sein.
Überraschendes Freilichtmuseum in Enkhuizen
Heute ist Enkhuizen beschaulich. Hohe Verteidigungsanlagen umschließen den historischen Stadtkern. Enkhuizen ist die einzige holländische Stadt, in der die Stadtmauern noch komplett erhalten sind. Und was innerhalb der Mauern liegt, erinnert an ein Freilichtmuseum: reich verzierte Kaufmannshäuser, imposante Kirchtürme und kleine Kanäle. In einem besonders schönen Haus ist eines der ungewöhnlichsten Museen untergebracht, das ich je besucht habe: „Sow to grow“ – zu Deutsch so was wie: „Säen, um zu wachsen“. Der Ort ist Laboratorium, Ausstellungshalle und Eventlocation zugleich. Hier werden Pflanzen erforscht. Junge Menschen für die Wissenschaft begeistert. Und der Garten gepflegt. Im Innenhof des früheren Waisenhauses stehen große Gemüsebeete.
Zwischen Mai und September 2019 wird jedes erste Wochenende im Monat ein Koch alte Gemüsesorten vor den Augen der Besucher zubereiten und verkosten. Die kleine Huldigung des „Goldenen Zeitalters“ soll Besucher ins Museum „sow to grow“ locken, das unglaubliche Geschichten über Pflanzen und deren Möglichkeiten erzählt. Ein Mitarbeiter hat es sehr poetisch ausgedrückt: Wir wollen die Welt ein bisschen besser und schöner machen. Besser mit Gemüse; schöner mit Blumen.
Das frühere Bauernviertel in Enkhuizen
Wenn ihr durch Enkhuizen streift, solltet ihr unbedingt einen Blick in das frühere Bauernviertel der Stadt werfen. Es liegt innerhalb der historischen Stadtmauern, nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt, und bietet pure Idylle. Früher betrieben Bauern hier Landwirtschaft in der Stadt. Und noch heute grasen ein paar Schafe und wachsen diverse Gemüsesorten mitten in dem schönen Ort.
Übernachtungstipps für Enkhuizen
Das B & B Villa Enkhuizen und die Appartments Havenzicht* liegen zentral und doch ruhig, die Einrichtung ist ausgesprochen geschmackvoll und die Gastgeber servieren ein köstliches, hausgemachtes Frühstück. Der Blick auf den Yachthafen ist bei Appartments auch noch inklusive.
Hinweis: Alle vier Städte sind bequem mit der Bahn zu erreichen. Ich selbst war auch mit der Bahn unterwegs – und immer pünktlich!
3. Die schönsten, kleinen Städte Hollands: Almere
Almere liegt nur rund 20 Zugminuten von Amsterdam entfernt. Bis dato hatten aber vermutlich nur wenige deutsche Urlauber die Stadt auf der Bucket List. Doch das dürfte sich in Zukunft ändern. Denn in Almere findet ein einzigartiges Experiment statt: aus den Relikten der „Floriade“, der Weltgartenbauausstellung, die alle zehn Jahre in den Niederlanden stattfindet, entsteht ein neuer, faszinierender Stadtteil.
Neuer, grüner Stadtteil in Almere
Die Expo 2022 hatte sich mit dem Thema: „Growing Green Cities“ befasst und Antworten auf zentrale Zukunftsfragen geliefert: grüner, gesünder und glücklicher sollen die Menschen (nicht nur in Almere) künftig leben. Dafür wird das ehemalige Expo-Gelände, das ihr oben auf dem Foto seht, in einen neuen, innovativen Stadtteil verwandelt. Das Interesse der Niederländer an den energieeffizienten Gebäuden aus nachwachsenden Materialien ist gigantisch. Es gibt Hauswände aus Pilzmyzell, Böden aus Hanfsamen und Gebäude, die mehr Energie erzeugen als verbrauchen.
Wer im künftigen Viertel spazierengeht, stößt auf eine gesamte Baum-Enzyklopädie: von A wie Ahorn bis Z wie Zeder wurden hier Bäume gepflanzt. Auch das soziale Miteinander soll besser werden. So wird strikt auf eine Durchmischung der Bewohner geachet: alt und jung, arm und reich, alteingesessen und neuzugewandert.
Hoteltipp für Almere
Das Van der Valk Hotel Almere liegt gleich um die Ecke* und bietet geschmackvolle Zimmer zu bezahlbaren Preisen. Das Frühstücksbuffet ist sehr üppig und wird in ansprechender Umgebung serviert.
Weiterlesen: Floriade – spektakuläre Expo in Holland
4. Die schönsten, kleinen Städte Hollands: Hoorn
Hoorn, ebenfalls eine frühere Kammer der Ostindien Kompanie, ist reich an Relikten des „Goldenen Zeitalters“. Die spektakulärste Hinterlassenschaft der Epoche ist der „Halve Maen“. Ein Museumsschiff, das in Hoorn vor Anker liegt und jeden Freitagabend mit zahlenden Gästen in See sticht. Die „Halve Maen“ ist allerdings 2019 von Hoorn aus in See gestochen, um in die USA zurückzukehren; woher die schwimmende Leihgabe stammt. Einen ausführlichen Bericht über Stadt und Schiff findet ihr hier.
Segeln in Hoorn
Aber bis dahin könnt ihr das Museumsschiff besuchen. Mitsegeln ist mit 99 Euro, inklusive Verpflegung, nicht ganz billig, aber wirklich etwas Besonderes. Wenn ihr Kosten oder Seegang scheut, könnt ihr die „Halve Maen“ auch im Rahmen geführter Touren besichtigen. Genauso wie das „Westfriesische Museum“, das das Schiff unterhält. Das Museum beherbergt historische Schätze aus dem „Goldenen Zeitalter“ und zeigt anschaulich, wie die Niederländer zu den Handelsherren der Welt wurden. Auch die unschönen Kapitel werden dabei nicht ausgespart
Hoteltipp für Hoorn
Schöne Zimmer uns ein sensationelles Frühstück bietet das Van der Falk Hotel* in Hoorn, das fraglos auch zu den schönsten, kleinen Städten in Holland zählt. Zudem bietet das Van der Falk ein sehr gutes Preis- Leistungsverhältnis.
Die Recherchereise wurde vom NBTC unterstützt. Vielen Dank dafür!
*Bei den Werbe-Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Das sind Partnerprogramme mit Unternehmen – wenn ihr über den Link auf meiner Seite ein Hotel bucht oder ein Buch kauft, bekomme ich eine kleine Provision. Für euch ist es keinen Cent teurer, aber für Blogger sind diese Einnahmen wichtig, um den Blog überhaupt betreiben zu können.
Robert meint
Eine Perle der Niederlande vermisse ich hier noch: Leeuwarden https://soscheescho.de/leeuwarden-europaeische-kulturhauptstadt-2018/. 2018 war das Hauptstädtchen der Provinz Friesland (ca. 100.000 Einwohner*innen) Europäische Kulturhauptstadt. Von da ist es nicht weit nach Harlingen, auf die Insel Terschelling und das Grachtenstädtchen Franeker mit seinem original erhaltenen Planetarium aus dem 18. Jahrhundert. Die Wege sind nicht weit, die Radwege exzellent und gut beschildert .
Yvonne meint
Ohjaa Leuwaarden und Harlingen sind absolut sehenswert. Wir waren dort letztes Jahr und uns hat es dort Mega gut gefallen. Franeker lohnt sich ebenfalls und Terschelling war einfach wunderschön.
Antje Zimmermann meint
Ja, die Niederlande haben im städtischen Bereich so viel mehr zu bieten als nur Amsterdam… 😉
Marc meint
Hallo Ihr Lieben,
auf dem Weg von Amsterdam nach Düsseldorf bin ich einmal staubedingt über Land gefahren und durch einen wunderschönen kleinen Ort gekommen, in dem es überraschenderweise teure kleine Boutiquen (teilweise auch von bekannten Mode-Marken) und gemütliche Straßencafés gab, die an der Hauptstraße lagen und dem Ort ein besonderes Flair verliehen. Rundherum war’s sehr grün und ich kann mich auch an Wasser erinnern. Vielleicht reicht es für den einen oder die andere, sich zu erinnern, wo das sein könnte?
Antje Zimmermann meint
Mir sagt das leider nichts – aber vielleicht kommt jemand anderes drauf….
Klingt auf jeden Fall spannend!