Das Meer türmt sich auf. Hunderte Möwen stoßen schrille Schreie aus und dann brechen Wassermassen tosend über das Land herein. Zerstören Häuser, entwurzeln Bäume und vernichten wertvolles Ackerland. Wer tief im Binnenland lebt, hat vermutlich nie erlebt, wie Deiche brechen. Wassermassen ins Land strömen und alles mit sich fortreißen. In den Niederlanden waren Flutkatastrophen seit dem 13. Jahrhundert grausamer Alltag. Doch dann startete das Land ein gigantisches Bauprojekt und das Ijsselmeer entstand. Heute finden Urlauber rund um den großen See idyllische Dörfer, lange Strände und geschichtsträchtige Kleinstädte.
Wie das IJsselmeer entstand
Am 14. Juni 1918 wurde das Zuiderzee-Gesetz erlassen: Ein radikales und weitgreifendes Gesetz, das die Menschen einerseits vor Überschwemmungen schützen und andererseits Neuland schaffen sollte. Der Abschlussdeich war das wichtigste Bauvorhaben: Er machte aus der Zuiderzee, einer flachen Meeresbucht der Nordsee, das IJsselmeer, das wir heute kennen. Nach und nach wurden die Gebiete hinter dem gewaltigen Damm trockengelegt. Überall entstand neues Land.
1. Das Fischerdorf Urk am IJsselmeer
Auch aus der früheren Insel Urk wurde ein Teil des Festlandes: Kleine, windschiefe Häuser schmiegen sich aneinander. Wäsche flattert im Wind. Und eine frische Meeresbrise weht durch die engen Gassen. Auf den ersten Blick ist Urk einfach ein besonders pittoresker Küstenort. Auf den zweiten Blick wird klar, dass hier jeder Stein eine Geschichte hat. Erzählt wird die bewegte Vergangenheit von Jan van Urk. Der frühere Hafenmeister der Gemeinde arbeitet heute als Gästeführer.
Frühere Insel in der Zuiderzee
Ursprünglich war Urk eine Insel mitten in der Zuiderzee. 2.000 Menschen lebten auf dem kleinen Eiland: drei Bauern, drei Metzger, ein paar Landarbeiter, alle anderen fischten. Die Fischer kämpfen gegen die Pläne der Regierung – vergeblich. 1939 wurde der Deich von Lemmer nach Urk geschlossen und die Insel gehörte auf einmal zum Festland. Notgedrungen arrangierte sich die kleine Gemeinschaft mit den großen Veränderungen. Das typische Flair einer Insel ist aber bis heute erhalten geblieben.
Übernachtungstipp für Urk
Extra-Tipp: Im historischen Ortskern von Urk gibt es mehrere schöne B & Bs – oft mit direktem Seeblick.*
Dramatische Geschichte am IJsselmeer
Urk ist eine perfekte Film-Kulisse: dunkle Gassen schlängeln sich zwischen den Häusern hindurch. Sie sind feucht und höchstens siebzig Zentimeter breit. Für die früheren Insulaner war diese Enge vollkommen normal. Sie kannten nichts anderes. Beengt lebten die Großfamilien unter einem Dach: 14 Kinder waren nichts Ungewöhnliches. Mit zehn Jahren mussten die Jungen auf den Schiffen schlafen und die Mädchen mit zwölf in die großen Städte ziehen, um bei den Reichen zu knechten. Während die meisten Mädchen später nach Urk zurückkehrten, um zu heiraten, blieben viele der Jungen für immer auf See. Ein Denkmal erinnert in Urk an die toten Fischer.
Jan van Urk erzählt, dass die rund 5.000 Alteingesessenen ihre Eigenheiten hegen und pflegen. Aber auch ihnen ist klar, dass die Zeiten sich gewandelt haben. Und dass sich Urk mehr und mehr dem Rest der Provinz Flevoland anpassen muss. Das 1986 gegründete Flevoland ist die jüngste Provinz der Niederlande und die größte Landfläche der Welt, die durch künstliche Landgewinnungsmaßnahmen entstanden ist.
Die jüngste Provinz der Niederlande
Wer in Flevoland einen Fuß auf den Boden setzt, betritt ehemaligen Meeresgrund. Wo früher Fische schwammen, wächst heute Obst und Gemüse. Im flachen Flevoland reicht der Blick kilometerweit. Mühlen, Deiche und Tulpenfelder prägen die Landschaft.
Weiterlesen: Auch das Hinterland von Flevoland ist spannend – denn es geht entlang von Tulpenfeldern zum IJseelmeer.
2. UNESCO Welterbe Schokland
Als Flevoland noch komplett unter Wasser lag, war Schokland wie Urk eine Insel. Doch anders als Urk liegt Schokland mittlerweile komplett auf dem Trockenen. Während in Urk immer noch Wasser an die Küste trifft, wächst rund um Schokland Gras. Die ursprüngliche Form der Insel ist aber noch heute deutlich zu erkennen. Auch deshalb ist das Gelände von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. Das örtliche Museum hält spektakuläre Funde bereit und das Café ist genauso idyllisch wie das Umland – der perfekte Ort für einen Tagesausflug am IJseelmeer.
So beachtlich das menschliche Schaffen ist – es hat nicht nur positive Seiten. Durch den Bau der Deiche und Dämme wurden in den Niederlanden viele Gewässer massiv beeinflusst: Wenn aus salzigem Meerwasser plötzlich Süßwasserseen werden, brechen ganze Ökosysteme zusammen. Fische und Vögel sterben zu Tausenden. Diese verheerenden Folgen wollen die Niederländer heute korrigieren: mit den Marker Wadden, einem großangelegten Wiederherstellungsprojekt im Markermeer.
3. Tagesausflug Marker Wadden
Auch das Markermeer war einmal Teil der Zuiderzee; heute ist es durch einen Deich vom IJseelmeer abgetrennt. Dass die Niederländer die Welt nach ihren Vorstellungen gestaltet haben, ist auch im Markermeer nicht ohne Folgen geblieben. Die Wasserqualität verschlechterte sich über die Jahre massiv. Tiere und Pflanzen verschwanden aus dem künstlichen See. Im Auftrag der Stiftung „Natuurmonumenten“ griffen Ingenieure erneut in die Natur ein und schufen in der Mitte des Sees fünf Inseln von beachtlicher Größe: die Marker Wadden – ein einzigartiges Naturschutzgebiet.
Hunderte Uferschwalben staken über einen feinen, weißen Strand. Und geben zusammen mit Dutzenden Säbelschnäblern regelmäßige Konzerte. Besucher dürfen die erste der Inseln betreten und sich an ihrer Schönheit erfreuen: Vogelbeobachtungshütten erlauben intensive Einblicke in das neue Inselleben.
Geheimtipp – Rundflüge ab Lelystad
Aus der Vogelperspektive ist der Umfang des Neulands besonders klar zu erkennen. Von dem kleinen Flughafen in Lelystad, der Hauptstadt der Provinz Flevoland, starten regelmäßig Rundflüge über Ijssel- und Markermeer. Auch die schmucken Dörfer und geschichtsträchtigen Städte am Ijsselmeer lassen sich aus der Luft bewundern.
4. Volendam – Schönheit und Tragik
Das wahrscheinlich bekannteste Fischerdorf der Niederlande ist Volendam. Der Ort ist ausgesprochen pittoresk und zieht daher Touristen aus aller Welt an. Doch die wenigsten Besucher ahnen auch nur, welche Tragödien sich in den kleinen, bunten Holzhäuschen zugetragen haben.
Übernachtungstipp für Volendam
Extratipp: In Volendam können Urlauber auf einem Hausboot im Hafen übernachten – pure Romantik!*
„Experience Volendam“ – Multi-Media-Erlebnis
Volendam war lange eine katholische Enklave. Als die Niederlande im 17. Jahrhundert mehrheitlich zum Calvinismus übertraten, blieb Volendam Rom treu. Und durch diese Papsttreue kam unsägliches Leid über die Menschen in Volendam. Erzählt wird ihre Geschichte in der „Experience Volendam“.
Weiterlesen: Die dramatische Geschichte von Volendam am Markermeer ist lange verschwiegen worden.
5. Enkhuizen, pittoreske Hafenstadt am IJsselmeer
Das kleine Enkhuizen war einmal so bedeutend wie das große Amsterdam. Und der frühere Reichtum des pittoresken Städtchens am IJseelmeer ist noch heute überall sichtbar: in imposanten Kirchen und beeindruckenden Bürgerhäusern. Das historische Zentrum von Enkhuizen gleicht einem Freilichtmuseum. Dass die Stadt ein architektonisches Kleinod ist, verdankt sie dem „Goldenen Zeitalter“. Das „Goldene Zeitalter“ erstreckte sich über das 17. Jahrhundert und war eine Epoche, in der Wirtschaft, Kunst und Kultur florierten wie nie zuvor. Die beeindruckenden Relikte der Blütezeit sind nicht zuletzt wunderbare Fotomotive.
Zuganreise nach Enkhuizen
In Enkhuizen gibt es ein historischen Bauernviertel, wo innerhalb der Stadtmauern Gemüse angebaut und Tiere gehalten wurden. Heute ist es eine Idylle mit Grachten, Brücken und Blumenbeeten. Vereinzelt wird hier noch heute Landwirtschaft betrieben. Ein Spaziergang durch das frühere Bauernviertel der Stadt bietet lässt den Wunsch nach einem Umzug aufkommen – so schön ist das Viertel. Enkhuizen lohnt einen längeren Aufenthalt und ist von Deutschland aus bequem mit dem Zug zu erreichen: 1 Stunde von Amsterdam.
Weiterlesen: Auch Delft und Hoorn zählen neben Enkhuizen zu den schönsten kleinen Städten in Holland.
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Scherf,Ulrike meint
Ich bin auf der Suche nach Informationen über die von Ihnen beschriebenen Regionen. Können sie mir bitte Material schicken.
Antje Zimmermann meint
Liebe Frau Scherf, kann es sein, dass Sie mich mit einem Tourismusverband verwechseln? Bei meiner Seite handelt es sich um einen Blog, der Ihnen kostenlos zur Verfügung steht. Aber selbstverständlich verschicke ich keine Infomaterialien. Vielen Dank für Ihr Verständnis.