Übersetzt heißt Alentejo „jenseits des Tejo.“ Der Tejo ist der längste Fluss der iberischen Halbinsel und das Land, das hinter ihm liegt, ist ein ganz besonderes: menschenleere Landschaften, spektakuläre Steilküsten und eine der größten Storchenpopulationen der Welt. Dennoch ist die Region, die zwischen Lissabon und der Algarve liegt, bei uns wenig bekannt. Völlig zu Unrecht steht sie im Schatten der Algarve. Deshalb kommt hier mein persönlicher Liebesbrief an den Alentejo: Sehenswürdigkeiten und Strände in Portugals goldener Mitte.
Wo im Winter Frühling ist
Ich bin Anfang Dezember kreuz und quer durch den Alentejo gefahren. Habe mich mitten im europäischen Winter an frühlingshaften Temperaturen erfreut. Bin durch feinen, weißen Strand gejoggt und über spektakuläre Steilküsten geklettert. Durfte zu Dumpingpreisen köstlich speisen und überall Störche bewundern. Ich weiß gar nicht, was ich mehr schätze am Alentejo: Sehenswürdigkeiten oder Strände? Fangen wir mit den Sehenswürdigkeiten an: mit Évora, der größten und wichtigsten Stadt im Alentejo.
Évora – Hauptstadt des Alentejo
Évora geht auf die Römer zurück. War zwischenzeitlich portugiesische Königsstadt und ist heute der einzige Ort in der Provinz, wo im Sommer gehäuft Touristen auftauchen. Nach einem langen Reisetag kommen wir spät abends in Évora an und einen Moment glaube ich, in Disneyland gelandet zu sein. Denn unmittelbar neben unserem Hotel steht ein riesiger Tempel. In poppige Scheinwerferfarben getaucht, wirkt er fast zu perfekt, um echt zu sein. Aber natürlich ist er es.
Römischer Tempel in Évora
Am nächsten Morgen liegt Frühnebel über der Stadt. Umhüllt die Gebäude, dämpft die Geräusche. Nur die Spitzen der mächtigen Tempelsäulen schauen aus dem dichten Dunst heraus. Wir haben das Glück, von Melanie Wolfram durch Évora geführt zu werden. Die junge Deutsch-Französin lebt seit ihrem dritten Lebensjahr in Portugal, ist promovierte Archäologin und betreibt eine kleine Agentur. Von ihr erfahren wir, dass der imposante Tempel der Größte des ganzen Landes ist. Anders als in sämtlichen Reiseführern behauptet, ist er aber keineswegs der Göttin Diana gewidmet. Vielmehr vermuten die Archäologen, dass er zu Ehren von Kaiser Augustus errichtet wurde.
Kaiser und Könige kamen und gingen – der Tempel blieb. Vom 13. Jahrhundert bis zum 19. Jahrhundert diente er als Schlachthaus. Was kein Scherz ist, wie Melanie beteuert. In der „prekühlschrank“ Zeit waren Schlachthäuser immer im Zentrum einer Stadt, damit die Menschen möglichst schnell ans Frischfleisch kamen. So verschwand der Tempel aus dem öffentlichen Bewusstsein und erst ein italienischer Architekt ahnte die antike Pracht unter dem neuzeitlichen Schlachthaus. Ließ die modernen Bauten vorsichtig abtragen und darunter kam der römische Tempel wieder zum Vorschein.
Spannender Städtetrip im Alentejo
Ob aus Ehrfurcht vor dem Gotteshaus oder aus Ekel vor dem Schlachthaus – alle anderen Gebäude liegen dutzende Meter vom Tempel entfernt. Das nächstgelegene Gebäude ist ein großes, weiß getünchtes Patrizierhaus. Goldgelbe Verzierungen und helle Holzportale lassen es licht und freundlich erscheinen. Ein Eindruck, der täuscht. Denn in dem schönen Gebäude war die katholische Inquisition untergebracht, die in Évora besonders grausam wütete. Wir streben eilig weiter. Gehen eine kleine Böschung hinab und stehen nach knapp 300 Metern vor dem nächsten imposanten Gebäude: der mittelalterlicher Kathedrale von Évora.
Alentejo Sehenswürdigkeiten – die Kathedrale
So frei der Tempel steht, so beengt ist die trutzige Kathedrale. Die Nachbarhäuser drängen sich an die Mauern des Gotteshauses. Im Inneren der Kathedrale ist dann wieder mehr Raum. Kleine, bunte Fenster lassen das Sonnenlicht durch. Erhellen den dunklen Granitbau und treffen auf eine Marienstatue, die in zwei Metern Höhe hängt. Das Kleid der Muttergottes fällt in sanften Falten um ihren Körper; kann ein kleines Bäuchlein aber nicht verdecken: Diese Maria ist eindeutig schwanger – ein Kult, der aus Italien nach Évora kam.
Wir machen noch ein paar Fotos und werden dann von Melanie zu ihrem Lieblingsort, einem Kreuzgang aus dem 14. Jahrhundert dirigiert. Die Rundbögen des Bogengangs geben den Blick frei auf den Innenhof: Orangenbäume wachsen hier. Die Äste schwer von Früchten. Lilafarbene Hortensien stehen in voller Blüte und das Gras ist grün und saftig wie in einem englischen Garten. Der Winter im Alentejo ist eine besonders schöne Zeit voller üppiger Vegetation.
Info: Die Altstadt von Évora zählt seit 1986 zum Welterbe. Bietet noch viele weitere Sehenswürdigkeiten und alles ist fußläufig zu erreichen.
Hoteltipp für Évora
Gleich neben dem imposanten Tempel liegt ein Hotel, das perfekt zu dem begehbaren Geschichtsbuch passt: das Pousada de Évora.* Das Gebäude ist ein altes Kloster und die Zimmer sind ehemalige Mönchszellen. Ein prasselnder Kamin wärmt den Salon und blühende Orangenbäume schmücken den Innenhof. Der schicke Außenpool ist nachträglich dazugekommen und natürlich perfekt für heiße Sommertage in der Museumsstadt. Hier findet ihr weitere Infos zu dem geschichtsträchtigen Domizil*.
Euch ist nach Frühling im Winter? Dann schaut euch doch mal meine Tipps für ein Wochenende in Córdoba an. Die Stadt hat gerade ein neues, geheimnisvolles Welterbe bekommen.
Alentejo: Roadtrip in den Süden
Wer von Évora Richtung Süden tiefer in den Alentejo fährt, kommt durch menschenleere Gegenden. Überall wachsen Korkeichen. Das untere Drittel der Rinde ist abgeschält, sodass die Bäume seltsam nackt erscheinen. In der Ferne liegen weiße Dörfer auf den Bergen. Und der Blick reicht bis zum Horizont. Weiter und weiter führen Autobahnen und Landstraßen….
Ein Storch fliegt vorüber. Dann stakt eine ganze Gruppe über ein Feld. Und letztlich sitzt auf jedem Mast am Straßenrand ein brütendes Storchenpaar. Unser Ziel ist Zambujeira do Mar – nur 900 Menschen leben in dem kleinen Fischerdorf an der Atlantikküste. Die spektakulären Steilküsten und weißen Badebuchten der Ortschaft gehören zum „Parque Natural do Sudoeste Alentejano e Costa Vicentina“. Der Naturpark erstreckt sich über 80 Kilometer entlang der Küste und ist berühmt für seine große Artenvielfalt.
Steilküsten und Badebuchten in Portugal
In der gesamten Region gibt es keine großen Hotels. Das ist eine bewusste Entscheidung der Einheimischen, die einfach keinen Massentourismus wollen. Évora hat mich begeistert. Aber an der Atlantikküste im Alentejo bin ich geradezu berauscht. Alles erscheint mir hier intensiver: die Gerüche, die Geräusche der Natur und vor allem die Farben. So gleicht der Sonnenuntergang an den Steilküsten einem Spektakel.
Das letzte Licht des Tages fällt rotgolden auf die zerklüfteten Felsen. Und beleuchtet auch die Blüten der Hottentottenfeige. Der fleischige Bodendecker wächst überall auf den kargen Felsen. Gleicht einem Teppich, der sich über die Klippen gelegt hat. Weiße, rosa und lilafarbene Blüten recken sich aus dem Blättern hervor – der untergehenden Sonne entgegen. Innerhalb weniger Minuten versinkt sie rotgolden im Atlantik und mit einem leisen Bedauern wenden wir uns wieder dem Land zu. Entlang von grünen Weiden geht es zurück zu unserem Hotel. Vorbei an rotbraunen, zotteligen Kühen, die zu Dutzenden auf den Weiden grasen.
Spektakuläres Landschaftshotel
Ursprünglich war das „Herdade do Touril“,* das gleich hinter Zambujeira do Mar im Naturpark liegt, ein Bauernhof. Auf dem großen Hof haben früher dutzende Menschen gearbeitet. Und in den einzelnen Häusern, die überall verstreut auf dem Grundstück liegen, auch gelebt. Heute sind die kleinen, weißen Häuschen aufwendig renoviert und geschmackvoll eingerichtet, sodass sich hier auch anspruchsvolle Touristen wohlfühlen. Selbst meine mitreisende Kollegin Sabine Bassier, die den exklusiven Luxus Reiseblog fratuschi.com betreibt, war von dem Hotel begeistert.
Heute wird auf dem Hof nur noch Fleisch produziert – das Fleisch der Rinder, die zwischen dem Anwesen und dem Meer weiden. Die paar Schafe und Esel, die unmittelbar beim Hotel leben, müssen sich hingegen keine Sorgen machen. Sie werden regelmäßig gestreichelt und gefüttert. Dienen als Maskottchen statt als Nahrung.
Packliste für den Roadtrip
- Sonnenbrille* und Sonnencreme* sind unverzichtbar
- Bequeme Sneaker für lange Spaziergänge*
- gute Wanderschuhe*, wenn ihr echte Touren macht
- Wasserdichter Rucksack* für Kamera & Co.
- Badekleidung*, Badehandtuch und Sonnenhut*
- schicke Kleidung* für die Hotelbar & Restaurants
- einen praktischen Rollkoffer* mit viel Stauraum
Geheimtipp Zambujeira do Mar
Gleich beim Hotel verläuft ein Wanderweg. Ihr könnt also zu Fuß losziehen oder euch ein Fahrrad ausleihen und entlang der Küstenstraße fahren: Nach vier Kilometern seid ihr schon in Zambujeira do Mar. Gleich neben der kaum befahrenen Straße sind Fitnessgeräte aufgestellt – ein wirklich netter Parcour, den ich zum Teil ausprobiert habe. Und es gibt mehrere Zugänge zum Meer.
Erst geht es ein paar Metern durch die Dünen, dann seid ihr schon an die spektakulären Steilküsten. Sicherlich werdet ihr hier einen Moment brauchen, um euch sattzusehen. Und wenn ihr trittsicher seid, könnt ihr euch an den Abstieg wagen. Über hunderte kleine Steinstufen geht es bergab zu sanft geschwungenen Badebuchten. Ganz ohne Kletterei erreicht ihr den schönen Sandstrand von Zambujeira do Mar. Ich bin hier barfuß gejoggt und habe anschließend Wasser und Kaffee in einem kleinen Café getrunken – der spektakuläre Atlantikblick kam gratis zu den Getränken dazu.
Die Recherchereise wurde von visit Alentejo unterstützt. Vielen Dank dafür!
* Bei den Werbe-Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Das sind Partnerprogramme mit Unternehmen – wenn ihr über den Link auf meiner Seite ein Hotel bucht oder ein Buch kauft, bekomme ich eine kleine Provision. Für euch ist es keinen Cent teurer, aber für Blogger sind diese Einnahmen wichtig, um den Blog überhaupt betreiben zu können. Also: Vielen Dank für eure Unterstützung!
Antje meint
Das ist schön, dass euch meine Reisereportage inspiriert hat. Leider ist sie schon wieder aus dem Netz verschwunden, aber „Mit Neugier unterwegs“, das Reisemagazin von WDR 5, bietet eigentlich jede Woche Inspiration… 🙂 https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/reisemagazin/index.html