Stavanger, die viertgrößte Stadt Norwegens, besitzt zwei Dinge im Überfluss: Öl und Kultur. Und die Norweger haben sogar das Kunststück vollbracht, beides zusammenzubringen: Im weltweit bedeutendsten Ölmuseum. Die Geschichte, wie Stavanger zu Reichtum kam, ist sehr unterhaltsam und gipfelt in einem Weihnachtsmärchen. Und wenn man Stavanger – das Tor zu den norwegischen Fjorden dann noch als Ausgangspunkt für Ausflüge ins Hinterland nimmt, hat man einen traumhaften Urlaub beisammen.
Mit dem Öl kam der (Kultur)-Reichtum
2008 durfte sich das kleine Stavanger als europäische Kulturhauptstadt fühlen. Während anderenorts der Rotstift die Kulturszene bestimmt, hat in Norwegen jedermann die Spendierhosen an: Staat, Gemeinde, Sponsoren – sie alle greifen tief in die Tasche, um ein kulturelles Happening nach dem anderen zu veranstalten. „Das artet manchmal schon in Freizeitstress aus“, lacht die deutsche Künstlerin Kirsten Reckeweg. Die gebürtige Bielefelderin hat in dem skandinavischen Land studiert und dort als Kulturvermittlerin gearbeitet, weil es in Norwegen so schön ist und die kulturellen Möglichkeiten so groß sind.
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Die Natur spielt hier die Hauptrolle
Trocken-Rudern auf dem Weizenfeld und Schauspieler, die übers Wasser gehen – Kunst wird in Norwegen durchaus eigenwillig interpretiert. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, spricht sie alle an. Wo bei uns lediglich das Bildungsbürgertum ins Theater strebt, kommt in Norwegen alles, was Beine hat zu den Aufführungen. Schulkinder und Senioren sind gleichermaßen begeistert, und Jung und Alt tragen die gleichen bequemen Klamotten. Der Rucksack ersetzt das Abendtäschen und für den Notfall ist sie Regenjacke dort deponiert.
Wahrscheinlich liegt die generationsübergreifende Begeisterung einfach daran, dass bei den norwegischen Inszenierungen die Natur die Hauptrolle spielt. Niemand käme hier auf die Idee, sommerliche Theateraufführungen in Hallen abzuhalten. Vielmehr findet das Kulturleben an den unzähligen, wilden Fjorden des Landes statt. Und Stavanger ist der ideale Ausgangspunkt, um sie zu besuchen.
In Norwegen zählen auch schreiende Bären-Menschen zur Kunst – genauso wie flatternde Wäscheleinen. Ich habe mich bei dem Anblick zumindest sehr amüsiert.
Das Öl sichert den norwegischen Wohlfahrtsstaat
Jahr für Jahr spült das schwarze Gold Milliarden in norwegische Kassen. Das viele Geld wird vom staatlichen Pensionsfonds seit 1990 zum Wohle der Allgemeinheit überaus erfolgreich verwaltet – gilt Norwegen doch als das Land mit dem höchsten Lebensstandard weltweit. Doch das war nicht immer so. Denn den Reichtum ihres Meeres entdeckten die Norweger erst sehr spät. Lange Zeit wollte in dem skandinavischen Land niemand glauben, dass es Öl oder Gas vor der Küste gibt. Geologen und andere Experten erklärten sogar, dass es keine Chance auf einen Fund gäbe.
Mutiger Bürgermeister mit Weitblick
Die heutige Wirtschaftsmetropole Stavanger war in den 1960er Jahren ein unbedeutendes Provinzkaff. Hatte allerdings zu dieser Zeit einem besonders ambitionierten Bürgermeister, der alles dransetzte, die großen Ölfirmen in seine Stadt zu locken: Arne Rettedal. Um sie zu ködern, baute er Straßen, Schulen und Golfplätze – die erst einmal niemand nutzte. Doch trotz aller Unkenrufe, er hätte das wenige Geld, das die Stadt damals besaß, zum Fenster herausgeworfen, war Bürgermeister Arne Rettedal überzeugt, dass man Öl finden würde. Deshalb wollte er rechtzeitig für die erforderliche Infrastruktur sorgen, um Stavanger einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Doch die Ölfunde ließen auf sich warten. Und Arne Rettedal hatte eine harte Zeit: Er wurde angefeindet und gemieden.
Die kleinen, weißen Holzhäuschen in Alt-Stavanger sind nicht nur pittoresk, sondern auch sehr teuer. Besuchen solltet ihr den schönen Stadtteil aber auf alle Fälle – hier liegt übrigens auch das kuriose Konservenmuseum der Stadt.
Zu Weihnachten entdeckt
Weihnachten 1969 wurde dann auf norwegischem Hoheitsgebiet Europas größtes Erdölvorkommen entdeckt und plötzlich war Bürgermeister Arne Rettedal ein beliebter Mann. Im Museum werden noch heute Geschichten von seinem Wagemut erzählt, der das norwegische Weihnachtsmärchen erst möglich machte. Daneben bietet das Museum realistische Einblicke in das Leben auf einer Ölplattform: Mit simulierten Hubschrauberflügen und Evakuierungen von den Plattformen. Nach dem Museumsrundgang ist auch dem letzten Besucher klar, dass der Job knochenhart ist. Aber er ist auch ausgesprochen gut dotiert. Anders ließe sich etwa das Leben in der schmucken Altstadt von Stavanger auch nicht bezahlen.
Hohe Lebensqualität
In Alt-Stavanger stehen lauter schmale Holzhäuser. Die meisten von ihnen sind weiß gestrichen und bis zu 200 Jahre alt. Mit den kleinen Gassen und gepflegten Vorgärten hat Stavanger sich hier einen dörflichen Charme bewahrt. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die Bewohner vor die Tür treten und ein freundliches Gespräch mit den Besuchern beginnen. Gerade dieser Kontrast zwischen dem Dörflichen und dem boomenden Öl-Business macht den Besuch so interessant. Zumal Stavanger – das Tor zu den norwegischen Fjorden ist. Rauschende Wasserfälle und zerklüftete Fjorde liegen gleich vor der Stadt. So wundert es nicht, dass sich die Stadt trotz hoher Preise über steigende Besucherzahlen aus Deutschland freuen darf.
Stavanger – das Tor zu den norwegischen Fjorden
So schön wie auf dem Bild sieht es übrigens direkt vor den Toren von Stavanger aus.
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Die Reise erfolgte mit freundlicher Unterstützung von visitnorway.
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