Sie sind babyblau, zartrosa und kanariengelb – die kleinen Häuschen, die sich wie an einer Schnur im Hafen „Marina Grande“ von Procida aufreihen. Kleine Fischerboote schaukeln im Wind und eine Handvoll Gäste sitzt in den Restaurants unmittelbar am Wasser. Pasta mit Seeigel, Venusmuscheln, und ganz viel Fisch stehen hier auf der Speisekarte. Und ich möchte am liebsten alles probieren. Scheitere angesichts der Portionsgrößen aber bereits nach dem ersten Teller: Pasta mit einem mir unbekannten Fisch. Er schmeckt frisch, mit einer leicht salzigen Note. Genauso wie die Luft, die ich auf Procida atme.
Ein Willkommensgruß in Pastell
Auf Procida ist das Meer nie weit. Ist die Insel doch gerade einmal vier Quadratkilometer groß. Mit rund 16 Kilometern Küste, die ich gerne komplett ablaufen würde. Doch dabei kommt mir die dichte Bebauung in die Quere. So schön Procida ist, so dicht besiedelt ist die Nachbarinsel von Capri. Die atemberaubende Architektur Procidas lässt dabei immer wieder staunen und die Farbenpracht beschert Besuchern und Bewohnern gute Laune.
Kriegerische Vergangenheit
Die dichte Besiedlung hängt mit der Vergangenheit zusammen, wie mir die Insulaner erzählen: Procida sei einmal eine bedeutende Seemacht gewesen. Mein Italienisch ist lausig und daher denke ich zuerst, dass ich mich verhört habe. Die friedlich im Hafen schaukelnden Fischerboote und die schicken Segelyachten, die weiter draußen vor Anker liegen, haben so gar nichts Kriegerisches an sich. Glücklicherweise ist das Englisch der jüngeren Insulaner weit besser als mein Italienisch und so erfahre ich Verblüffendes: Das „Instituto Nautico“ auf Procida ist die älteste Seefahrerschule Europas. Und nach Amalfi und Genua hatte die kleine Insel die drittgrößte Flotte in der gesamten Region. Stolz schwingt in den Erzählungen mit und noch heute fahren viele Inselbewohner zur See. Das hat die Gesichter der Menschen genauso geprägt wie ihre Mentalität: Fremden begegnen sie grundsätzlich offen und freundlich.
Süditalien pur
Noch gibt es allerdings kaum Fremde hier. Der Tourismus spielt auf Procida nur eine untergeordnete Rolle; ganz anderes als auf den beiden berühmten Nachbarinseln Capri und Ischia. Procida ist hingegen genauso, wie ich mir Süditalien vorstelle: Die Menschen sind laut. Mit großen Gesten. Und schnell wechselnden Stimmungen. Von euphorisch zu verzweifelt in 30 Sekunden – so erscheinen mir die Verhandlungen zwischen Käufern und Verkäufern auf dem Wochenmarkt. Hier gibt es Unmengen an frischem Obst und Gemüse: Große, rote Ochsenherzen. Daneben pralle Auberginen, die in einem tiefen Lila schimmern. Ich habe mich an Geschmack und Geruch des Gemüses berauscht.
Extra-Tipp: Das ursprüngliche Italien findet ihr auch an der etruskischen Küste: Kleine Dörfer, die sich in die Berge schmiegen, dazu erstaunliche Relikte der Etrusker, die in der Toskana noch heute Rätsel aufgeben.
Das Land, wo die Zitronen blühen
Auch Zitronen gibt es überall auf Procida. Ihr intensiver Duft dringt in meine Nase. Und begleitet mich noch einige Zeit auf meinem Spaziergang durch Procida – der einzige Ort der Insel heißt genauso wie das ganze Eiland. Knatternde Mopeds rasen durch die schmalen Gassen. Ich springe vorsichtshalber zur Seite, was aber nicht nötig ist. Fußgänger umfahren sie einfach elegant. Über mir seilt eine ältere Frau ihren Einkaufskorb aus dem Fenster ab. Er hängt an einer kräftigen Schnur und in ihm befindet sich Geld, das der Eiermann im Austausch für seine Ware nimmt. So einkaufen, würde ich in Köln auch gerne.
Übernachtungstipp: Das Hotel La Corricella liegt mitten in der pastellfarbenen Idylle – mit einem fantastischen Blick auf die Bucht und den Hafen.*
Der Ort mit seinen bunten Häusern, die wie übereinander gestapelt wirken, ist so schön, dass ich alle paar Meter stehenbleibe, um zu fotografieren: Die Wäscheleine, die in zehn Meter Höhe gespannt ist. Blaue Hemden, bunte T-Shirts und weiße Unterwäsche flattern auf ihr im Wind. Auf Fenstersimsen und Treppen stehen üppige Pflanzen in bunten Kübeln. Und dann rieche ich wieder Zitronen. Dieses Mal hängen sie sogar noch am Baum – dieses Foto muss ich natürlich auch noch machen.
Schwarz schimmernde Strände
Doch dann zieht es mich wieder ans Meer und zu den Stränden der Insel. Fünf Stück gibt es auf Procida. Ihr Sand ist fein und schwarz – ein Überbleibsel der vulkanischen Vergangenheit. Ich ziehe meine Schuhe aus und laufe barfuß am Strand entlang. Der Wind spielt mit meinen Haaren. Und Gischt spritzt auf meine Haut. Der salzige Geschmack ist etwas, das ich noch heute mit Procida verbinde.
Für alle Inselfans: Auch La Graciosa ist ein echter Geheimtipp. Die kleine Kanareninsel ist gleichermaßen unbekannt und daher authentisch. Dazu bietet sie Traumstrände!
Knast & Hollywood auf Procida
„Hübsche Knast-Insel“ – so betitelte die „Zeit“ Procida 1984. Zu diesem Zeitpunkt landeten auf der schönen Insel nämlich weit mehr Kriminelle als Touristen. Von 1830 bis 1988 gab es ein berüchtigtes Gefängnis auf der Insel, das in Terra Murata, dem ältesten Teil des Ortes, untergebracht war – in einem ehemals schmucken Palast. Doch seit der Knast-Schließung ist der Ort verlassen und Möwen fühlen sich hier wohler als Menschen. Um Fotos vom Hafen zu machen, ist Terra Murata allerdings perfekt. Auch meine Bilder sind hier entstanden.
Talentierte Postmänner auf Procida
Auf Procida sind mehrere berühmte Filme gedreht worden: Etwa der für seine Landschaftsaufnahmen viel gerühmte „Il Postino“ (deutscher Titel „Der Postman“). Regisseur Michael Radford hat in vielen Interviews erzählt, dass er auf Procida die Ursprünglichkeit gefunden hat, die der chilenische Autor Antonio Skármeta in der Romanvorlage so einfühlsam beschrieb. Da nicht alle Drehorte eine Postanschrift haben, muss man sich ein bisschen durchfragen. Auch einige Aufnahmen der berühmten Patricia Highsmith-Verfilmung „Der talentierte Mr. Ripley“ sind übrigens im Hafen von Procida entstanden.
Anreise nach Procida
Nach Procida kommt ihr nur mit der Fähre. Platz, um einen Flughafen zu bauen, gibt es definitiv keinen auf der Insel – und das ist gut so. Von vier Häfen könnt ihr nach Procida übersetzen: Neapel, Pozzuoli und Sorrent – alle drei Städte liegen auf dem Festland. Die vierte Fährmöglichkeit gibt es von Ischia, der großen, bekannten Nachbarinsel im Golf von Neapel. Die großen Autofähren benötigen mehr Zeit, dafür sind die schnelleren Tragflächenboote teurer. Aber der Besuch lohnt sich – ich habe schon viele Freunde nach Procida geschickt und alle waren begeistert.
Detaillierte Anreiseinformationen findet ihr hier.
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Suzi meint
Toller Artikel,
wie sieht es denn um den Zeitraum erste Hälfte März aus? Würden sie mir Procida empfehlen oder hätten sie eine weitere Empfehlung?
Ich bin gespannt und herzlichen Dank im Voraus.
Antje meint
Hallo Suzi, danke für das Lob. Grundsätzlich sind die Monate Mai und Juni wegen der Blüte und der Temperaturen sicherlich die schönsten, aber auch im März ist es im Golf von Neapel natürlich wesentlich angenehmer als bei uns. Und ich selbst bin ein großer Fan von Reisen in der Vorsaison. Ich finde, dass dann gerade Inseln noch etwas Verschlafenes und sehr Ursprüngliches haben. Mein Alternativ-Tipp sind die Liparischen Inseln vor Sizilien. Sie werden völlig zu Recht die „Sieben Schönheiten“ genannt. Und sind tendenziell noch etwas wärmer im März. Hier fliegt man nach Sizilien und setzt dann mit der Fähre nach Lipari, der Hauptinsel, über. Bei Procida ist der Zielflughafen ja Neapel. Ich hoffe, dass ich damit helfen konnte…