„Das Goldene Zeitalter“ – ursprünglich stammt der Begriff aus der antiken Mythologie und beschreibt ein gesellschaftliches Ideal, das es wohl nie gegeben hat. In den Niederlanden hat es im 17. Jahrhundert hingegen tatsächlich eine goldene Zeit gegeben, in der Wirtschaft, Kunst und Kultur florierten. Der Handel hatte die junge Nation reich gemacht und vieles, was wir heute an unserem Nachbarland lieben, ist in diesem „Goldenen Zeitalter“ entstanden: die prächtigen Herrenhäuser entlang der Grachten, die berühmten Meisterwerke von Rembrandt und Vermeer. Wenn ihr einmal eintauchen wollt in diese Welt, dann empfehle ich euch Hoorn – Hafenstadt des „Goldenen Zeitalters“. Denn hier begegnet ihr der Vergangenheit an ganz ungewöhnlichen Orten: etwa auf den schwankenden Brettern eines Hochseeseglers.
Nostalgie auf See
Die weißen Segel strahlen in der Mittagssonne und eine große niederländische Fahne weht stolz am Heck des Schiffes. Als ich das erste Mal den „Halve Maen“ gesehen habe, war ich sofort begeistert. Denn das Museumsschiff ist eine originalgetreue Replik. Jedes noch so kleine Detail ist beim Nachbau beachtet worden, sodass ich mich für einen Moment bei den Dreharbeiten zu „Fluch der Karibik“ wähnte. 1606 erbaut wurde das Schiff von der niederländischen Ostindien Kompanie gekauft. In deren Auftrag fuhr die „Halve Maen“ 1609 über den Atlantik. Erkundete die amerikanische Ostküste und gelangte so ins heutige New York. Auf der Kommandobrücke stand damals der englische Skipper Henry Hudson. Nach ihm ist der Hudson-River vor Manhattan benannt.
Hoorn – Hafenstadt des Goldenen Zeitalters – Historische Details
Verglichen mit anderen Schiffen aus dem „Goldenen Zeitalter“ ist die „Halve Maen“ relativ klein: Nur 31 Meter lang und 25 Meter hoch. Neben den kleinen Segelbooten im IJsselmeer vor Hoorn wirkt das Schiff aber groß und mächtig. Und vor allem herrlich nostalgisch. Verschlungene Seile. Kunstvolle Malereien – während sich unser Beiboot dem historischen Schiff nähert, erklärt Museumsmitarbeiterin Annemarie Pothaar weitere Details. Sie ist als Projektleiterin für die „Halve Maen“ zuständig.
Mit Löwen gegen Seeungeheuer
Gut ein Dutzend Männer und Frauen arbeiten konzentriert an Bord des Schiffes. Kommandos werden gerufen. Segel gesetzt. Das maritime Spektakel findet jedes Frühjahr statt – nach der Winterpause macht die Crew das Museumsschiff für die Sommersaison startklar. Wind kommt auf und füllt die Segel. Diese Chance nutzt die Crew, um hinaus ins IJsselmeer zu segeln. Dabei kommt die „Halve Maen“ ganz dicht an unserem Beiboot vorbei. 20 Meter über uns prangt ein Löwe am Bug des Schiffes. Sein Körper ist dunkelrot, die Mähne goldfarben. Das Maul weit aufgerissen. Annemarie berichtet, dass die Seefahrer des 17 Jahrhunderts glaubten, dass solch mächtige Tiere sie vor Seeungeheuer beschützen könnten.
Abenteuer an Bord
Es braucht drei Anläufe bis unser Beiboot beim „Halve Maen“ anlegen kann. Dann dürfen wir an Bord klettern: Die Einstiegsleiter schwingt hin und her und die feuchten Holzstufen sind nur wenige Zentimeter breit, sodass einer aus unserer Gruppe es sich im letzten Moment anders überlegt. Ich bin viel zu neugierig auf das schöne Schiff, als dass ich jetzt noch kneifen würde. Und das kleine Abenteuer lohnt sich wirklich.
Alles an Bord des Museumsschiffes ist originalgetreu rekonstruiert worden. Von Nahem sehe ich jetzt jedes Detail. Überall liegen Seile herum. Wild übereinander wie Spaghetti auf einem Teller. Was für mich nach Chaos aussieht, ist für Kapitän Bram Nijenhuis ein wohldurchdachtes System, das nach seinen Wünschen arbeitet – meistens zumindest.
Ehrenamtliche Crew
Der Kapitän lehnt lässig am Ruder. Er ist der einzige bezahlte Mitarbeiter an Bord. Alle anderen Mitglieder der Crew arbeiten ehrenamtlich. Die Ehrenamtlichen tragen Räuberzivil: Jeans, T-Shirts und Segelschuhe. Als Botschafter des Goldenen Zeitalters ist Bram gehalten, stilecht am Dienstort zu erscheinen: Eine rote Wollmütze sitzt auf seinem braunen Haar. Über den weißen Pluderhosen trägt er einen weitgeschnittenen Rock. Genauso waren die Seefahrer des „Goldenen Zeitalter“ gekleidet.
Mitsegeln auf dem historischen Schiff
Jeden Freitag zwischen Mai und Oktober sticht die „Halve Maen“ in See. Zahlende Gäste sind hochwillkommen – die Einnahmen dienen dem Unterhalt des Schiffes. Ihr dürft dabei an Deck helfen und werdet mit Essen und Trinken versorgt. Der Trip kostet 99 Euro. Auch für weniger Seetüchtige gibt es ein Angebot: Einstündige Rundgänge führen euch in alle Räume des Schiffes. Und dabei erfahrt ihr viele spannende Geschichten aus der Zeit, als das Schiff über die Weltmeere segelte.
Hoteltipp für Hoorn – Hafenstadt des Goldenen Zeitalters
Schöne Zimmer, ein sensationelles Frühstück und einen ebensolchen Ausblick bietet euch das Van der Falk Hotel* in Hoorn. Grundsätzlich tendiere ich eher zu kleinen, geschmackvollen Privathotels, aber da ist die Auswahl in Hoorn leider sehr überschaubar. Und das Van der Falk hat einfach ein sehr gutes Preis- Leistungsverhältnis. Hier findet ihr weitere Details und Preise*.
Hoorn – Hafenstadt des Goldenen Zeitalters
Der „Halve Maen“ ist das spektakulärste Relikt des Goldenen Zeitalters in Hoorn. Wenn das Schiff im Hafen vor Anker liegt, ist die Illusion für einen Moment vollkommen: Schmale, backsteinfarbene Gebäude reihen sich hinter ihm am Hafenkai auf. Mit ihren auffälligen Giebeln, kleinen Sprossenfenstern und leuchtend roten Fensterläden wirken die Häuser verspielt, fast künstlerisch. Auch die Architektur erlebte im Goldenen Zeitalter eine Blütezeit.
In einem der schönsten Gebäude der Epoche ist das Westfriesische Museum untergebracht – der Arbeitgeber von Projektleiterin Annemarie und Kapitän Bram.
Reichtum führt zu Schönheit
Im Museum wird die aufregendste Periode der niederländischen Geschichte erzählt: Als die Kaufleute der niederländischen Ostindien-Kompanie die Wirtschaft des Kontinents dominierten. Sie besaßen die mit Abstand größte Handelsflotte und kontrollierten die Gewürzroute zwischen Indien und Europa. In Hoorn gab es im 17. Jahrhundert eine Kammer der VOC – der niederländischen Ostindien-Kompanie. Diese Kammern fungierten als regionale Verwaltungssitze der Handelsgesellschaft. Es gab sie in Enkhuizen, Hoorn und Amsterdam – das waren die drei im Norden – und dann gab es noch drei im Süden des Landes. In dieser Zeit hat die Bevölkerung unglaublich davon profitiert, dass die Wirtschaft florierte.
Hoorn war im Goldenen Zeitalter extrem wohlhabend. Kunst und Kultur florierten wie nie zuvor. Insbesondere die Malerei wurde zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Die Direktoren der Ostindien Kompanie ließen sich überlebensgroß auf Leinwand verewigen. Vier Meter hohe Gruppenportraits zieren im Museum die Wände und zeigen die mächtigen Herren von Hoorn in ihrer großbürgerlichen Herrlichkeit.
Hoorn – Hafenstadt des Goldenen Zeitalters und der Raum der Wunder
Über knarrende Holztreppen geht es in die zweite Etage des Museums. Seekarten hängen an den Wänden. Und dutzende Gewürzsäcke stehen auf dem Boden: Pfeffer, Zimt, Muskat – die Besucher dürfen die Gewürze anfassen und an ihnen schnuppern. Am Ende des Rundgangs liegt ein kleiner holzvertäfelter Raum: Was hier ausgestellt ist, beeindruckt die Menschen noch heute. Im Raum der Wunder finden sich lauter Dinge, die die Seefahrer aus aller Welt zurück nach Holland brachten: Alle möglichen Muscheln. Baumwolle. Das sehr große Ei eines Strauß. Dazu Mineralien. Insekten. Tiere und Pflanzen.
Mein Fazit nach dem Besuch in Hoorn – Hafenstadt des Goldenen Zeitalters lautet: Auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Mischung aus Nostalgie, architektonischer Schönheit und Hafenromantik ist einfach perfekt für einen Wochenendtrip.
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Die Recherche wurde vom NBTC unterstützt. Vielen Dank dafür.
Jessica meint
Hoorn scheint ja wirklich traumhaft zu sein! Besonders schön finde ich den Kontrast zwischen den Grachten und der Seefahrt! Dein Bericht lädt ein, diese (unbekannte) Stadt auch mal zu erkunden.
Antje meint
Ja, es ist ein verwunschenes, geschichtsträchtiges Städtchen und außerhalb der Hochsaison wirklich den Besuch wert. 🙂