Der Herbst ist die schönste Zeit für Wanderungen. Und wenn diese Wanderungen entlang von jahrhundertealten Kastanienhainen stattfinden, ist das ein ganz besonderes Naturerlebnis. Wer auf dem Kastanienwanderweg im Tessin unterwegs ist, kann den Landschaftsgenuss zudem mit ungewöhnlichen Gaumenfreuden verbinden – denn im südlichsten Kanton der Schweiz wachsen über 100 verschiedene Kastaniensorten. Und diejenigen Sorten, die besonders süß und nussig sind, werden auch in der Küche der Region verwandt. Köstlich!
Herbstgenüsse im sonnigen Tessin
Im Schatten uralter Kastanien geht der Pfad sanft bergan. Überall auf dem weichen Waldboden liegen reife Früchte und noch mehr Kastanien hängen an den knorrigen Stämmen der mächtigen Bäume. Weit und breit ist kein anderer Mensch zu sehen. Dafür viele Kühe, die sich genüsslich über die Früchte und Blätter der Kastanienbäume hermachen. Die Luft riecht frisch und würzig nach Laub und Erde. Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Wälder und wärmen meine Haut. Das Tessin wirbt damit, der nördlichste Teil Italiens zu sein – und auf dem Kastanienweg war ich geneigt, es zu glauben.
Kombi-Tipp: Wenn ihr schon einmal im sonnigen Tessin seid, solltet ihr euch unbedingt die Blumeninsel im Lage Maggiore ansehen. Sie liegt im Schweizer Teil des Sees und gleicht einem Märchenort.
Eckdaten zum Kastanienweg
Hier ein paar Infos zum Weg: Der 15 Kilometer lange Kastanienwanderweg liegt unweit von Lugano, im Bezirk Alto Malcantone. Er ist als Rundwanderweg angelegt. Gut vier Stunden solltet ihr für die mittelschwere Tour einrechnen, denn es gilt 380 Höhenmeter zu überwinden. Gestartet wird bei der Kirche San Michele in Arosio. Über die Ortschaften Mugena, Fescoggia, Vize, und Caroggio geht es dann wieder zurück nach Arosio. Der Weg ist sowohl für Kinder, als auch für Vierbeiner geeignet.
Lehrreiches am Wegesrand
In den großen Kastanienhainen gibt es auch einen Lehrpfad, auf dem ihr alles Wissenswerte über die uralte Kulturpflanze erfahrt: Etwa, dass die Bäume vor 2000 Jahren mit den Römern ins Tessin kamen. Und dass das Überleben der Landbevölkerung früher von ihnen abhing. So sind die Kastanien auch zu ihrem Spitznamen gekommen: „Brot der Armen“. Denn vor den langen, strengen Wintern sammelten die Menschen eifrig. Als Faustregel galt: Wenn sie 150 Kilo Kastanien pro Person zusammen hatten, überstanden sie den Winter. Im Frühjahr konnte dann niemand mehr den Anblick der Früchte ertragen.
Kastanien in der Küche
Als mit dem Tourismus der Wohlstand ins Tessin kam, war die Kastanie dann als Arme-Leute-Essen verpönt. Heute besinnen sich die Menschen aber wieder auf den natürlichen Reichtum ihrer Region. Und die Kastanie erlebt ein Comeback – insbesondere in der Küche, die als beste der ganzen Schweiz gilt. Von Mitte September bis Ende November servieren die Restaurants unterschiedliche Kastaniengerichte. Ich bin in ein paar kleine Restaurants, die unmittelbar am Kastanienweg liegen, eingekehrt und war einfach nur begeistert:
Ich habe Kastanienspätzle probiert. Und auch eine Kastanien-Pilzsuppe, die mit Curry abgeschmeckt wird. Mein Favorit war ein herbstlicher Salat, garniert mit Kastanien, Birnen, frischen Feigen und Trauben. Letztlich habe ich auch noch einen Bissen von einer Kastanientorte gekostet.
Bio-Kastanienprodukte
Dass sich die Tessiner wieder auf ihre Kastanien-Tradition besinnen, merkt man auch an anderen Dingen. So gibt es kleine Fabriken, die Kastanienmarmelade, Kastanienhonig, Kastaniennudeln und Kastanienflocken herstellen. Genau wie die Einheimischen habe ich mich hier mit den Spezialitäten eingedeckt und zuhause noch ein bisschen dem Aufenthalt im Tessin „nachgeschmeckt“.
Und auch ihr könnt das Land der Kastanien zwischen September und November im „nördlichsten Teil Italiens“ genießen.
Andreas meint
Hallo Antje,
am schönsten fand ich die letzten Strahlen der Herbstsonne, die durch das Blättergewirr der Esskastanien fallen. Der Wanderweg mit den knorrigen Baumveteranen ist sehr empfehlenswert. Frage: Wie schmeckte der Salat mit Begonienblüten?
Antje meint
Genauso gut, wie er aussieht. 😉 Und danke für das Interesse am Kastanienweg.