Sie bewaffnen sich mit scharfen Messern, streifen durch dunkle Wälder und hoffen auf reiche Beute – die Pilzsammler. Früher noch belächelt, weil es an die Hungerjahre der Nachkriegszeit erinnerte, ist die Pilzpirsch längst zeitgeistig geworden. Hausmänner, Hobbyköchinnen und Hipster – sie alle suchen im Wald nach schmackhaften Speisepilzen. Doch viele Neulinge unterschätzen die Gefahren und überschätzen zugleich die eigenen Fähigkeiten. Pilze sammeln ohne Reue – wer mit Reinhard Wegner zur Pilzwanderung ins Bergische Land geht, kommt nicht nur mit einem prall gefüllten Körbchen zurück.
Pilzwanderung im Dünnwald bei Köln
„Ökologische Pilzwanderungen“ – so bezeichnet Reinhard Wegner seine Exkursionen. Denn ihm geht es um einen thematischen Rundumschlag, bei dem die Teilnehmer die faszinierende Fülle der Pilze kennenlernen. Speisepilze sind ein Teilaspekt – Pilzliebe geht bekanntlich über den Magen – aber nicht das einzige Thema, über das der Experte unterhaltsam informiert.
Reinhard Wegner ist promovierter Biologe und geprüfter Sachverständiger der deutschen Gesellschaft für Mykologie. Pilze begeistern ihn seit Kindertagen. Die Familie der Mutter stammt aus der Oberpfalz in Bayern, unweit der tschechischen Grenze, wo Pilze sammeln an der Tagesordnung ist. Schon als kleiner Junge ist er mit seinem Großvater in die Pilze gegangen. Daraus ist eine große Leidenschaft und ein enormes Fachwissen entstanden, von dem die Teilnehmer seiner Exkursionen profitieren.
Pilze sammeln unter fachlicher Anleitung
Gut ein Dutzend Pilzsammler haben sich am Samstagmorgen am Waldparkplatz in Bergisch-Gladbach eingefunden, um mit dem Pilzexperten tiefer in das Mysterium einzusteigen. Pilze gelten als größte Lebewesen auf unserem Planeten. Wissenschaftler gehen von bis zu vier Millionen Arten aus. Über 90 Prozent davon sind noch weitgehend unerforscht. Dabei sind sie weder Fisch noch Fleisch, weder Pflanze noch Tier, sondern ein ganz eigener Organismus.
Einige Pilze sind Parasiten, die den Tod bringen, andere recyceln eifrig und halten das Ökosystem Wald in Gang, die allermeisten sind erklärte Teamplayer. Ihr gigantisches Pilzgeflecht lebt unterirdisch im Verborgenen. Häufig in enger Symbiose mit anderen Lebewesen. Rund 9.000 Arten sind in Deutschland bekannt – und stetig kommen neue dazu. Nur achtlos die Fruchtkörper in die Pfanne zu hauen, grenzt an Ignoranz.
Anfängertipps fürs Pilze sammeln
Anfänger sind mit Röhrlingen gut beraten. Pilzen, die einen Schwamm unter dem Hut haben und daran leichter zu erkennen sind. Die bekanntesten Vertreter sind Maronen und Steinpilze. Viele Pilz-Neulinge sehen in der Verwechslungsgefahr das größte Risiko – doch dem ist nicht so: Natürlich kommen Verwechslungen mit Giftpilzen vor, aber sie ist nicht die häufigste Ursache für Pilzvergiftungen. Sondern: Matschepilze. Die Leute sammeln zu alte Pilze. Die Vergiftung entsteht dann durch die fortgeschrittene Eiweißzersetzung der Pilze.
Wann ist ein Pilz zu alt?
Reinhard Wegner gibt seinen Teilnehmern einen simplen Tipp an die Hand: würde ich für diesen Pilz Geld im Supermarkt ausgeben? Wenn die Antwort „nein“ ist, dann ist er zu alt. Und eigentlich ist der Pilz bereits zu alt, wenn man sich diese Frage überhaupt stellt. Pilze für den Verzehr müssen einfach gut in Schuss sein. Dürfen keine komischen Stellen haben und sollten auch nicht befremdlich riechen. Auch wenn im Wald mit so manchem Pilzfreund die Sammelwut durchgeht, gilt gerade für Anfänger eine Goldene Regel: Auch keine zu jungen Pilze!
Die besten Fundstellen für Speisepilze in NRW
Bei zu jungen Pilzen fehlen wichtige Merkmale, was die Verwechslungsgefahr enorm erhöht. Nur wenn alle Merkmale ausgebildet sind, gelingt Laien eine sichere Bestimmung. Während die Gruppe weiter durch den Dünnwald in Schildgen streift, erklärt Reinhard Wegner welcher Pilz symbiotisch mit bestimmen Baum lebt. So wächst die Krause Glucke beispielsweise am Stamm von Nadelbäumen: die Wald-Kiefer ist der wichtigste Standort.
Auch die begehrten Steinpilze wissen Fichten zu schätzen. Das große Fichtensterben, das mit dem Klimawandel einhergeht, bringt so auch die Frage nach dem Fortbestand der delikaten Speisepilze auf.
Weiterlesen: Sterben Steinpilze aus? Mit dem Pilzpapst im Rothaargebirge.
Lebenswichtige Tipps fürs Pilze sammeln
Bei den Exkursionen von Reinhard Wegner werden nicht nur die Findlinge sicher bestimmt, sondern auch ganz praktische Tipps gegeben: Neueste wissenschaftliche Kenntnisse, die im Zweifelsfall über Leben und Tod entscheiden. Alte Pilzbücher sind mit Vorsicht zu genießen – das macht der Experte unmissverständlich klar!
Was zu Zeiten unserer Großeltern als Speisepilz galt, hat sich in einigen Fällen als schwerverdaulich bis hochgiftig erwiesen. So ist der Kahle Krempling, ein brauner Hutpilz, der lange als beliebter Speisepilz galt, in Wahrheit ein potentiell lebensbedrohender Pilz – was die Pilzwelt allerdings erst durch den Tod eines erfahrenen Mykologen erfahren hat. Veraltetes Wissen, vermeintliche Volksweisheiten – viele Ammenmärchen aus dem Pilzreich halten sich hartnäckig. Wenn man eine Zwiebel mit kocht und die Zwiebel wird lila, dann ist ein Giftpilz darunter. Wird die Zwiebel nicht lila, dann kann man es essen – das ist natürlich Blödsinn. Genauso wie: einen Silberlöffel mit kochen. Wenn der anläuft, dann ist ein Giftpilz darunter. Auf solche Märchen sollten Anfänger keinesfalls reinfallen.
Garzeiten beachten!
Und selbst zweifelsfrei identifizierte Speisepilze bergen noch Risiken – etwa, wenn man sie nicht lange genug gart. Zehn Minuten sollte man den Pilzen schon in der Pfanne geben, sagt Reinhard Wegner.
Die größten Gefahren beim Pilze sammeln
Noch einmal kurz zusammengefasst: Die Gefahren für Pilzsammler lauern bei Verwechslungspartnern, alten, matschigen Pilzen und zu jungen, ohne charakteristische Merkmale. Deshalb bieten alle Pilzsachverständigen der deutschen Gesellschaft für Mykologie eine Korbkontrolle für Pilzneulinge an. Nach Voranmeldung können unerfahrene Pilzsucher bei den Experten vorbeikommen. Reinhard Wegner bittet darum, die Funde vorzusortieren.
Korbkontrolle bei den Pilzsachverständigen
Dann geht die Auswahl schnell vonstatten und die Pilzsucher können ihre Beute sorgenfrei genießen. Doch nicht alle Laien halten eine solche Kontrolle für notwendig. Häufig kommt der Anruf erst, wenn die Schmerzen auftreten. In der Hauptsaison sind das nicht selten mehrere Anrufe in der Woche. Und gelegentlich müssen die Menschen mit schweren Magendarmproblemen oder Vergiftungen im Krankenhaus behandelt werden. Das lässt sich natürlich vermeiden, wenn man den Experten im Zweifelsfall vorher fragt und nicht nachher – betont Reinhard Wegner.
Preise der Pilzexkursionen
Die Pilzwanderungen in den Wäldern zwischen Köln, Leverkusen und Bergisch-Gladbach finden 2023 regelmäßig statt – vereinzelte Termine gibt es sogar im Dezember und Januar. Je nach Art der Veranstaltung kostet die Teilnahme zwischen 30 und 40 Euro. Interessenten müssen sich vorab anmelden, da die Touren sehr begehrt sind. Der genaue Treffpunkt wird vorab per Mail bekannt gegeben. Auf Wunsch bietet Reinhard Wegner auch individuelle Touren an.
Kontakt: r.wegner (at) web.de
Speisepilze und ihre giftigen Doppelgänger
„Speisepilze und ihre Doppelgänger“ ist die beliebteste Führung des Experten. Dabei lernen die Teilnehmer, wie sie köstliche Pilze von ungenießbaren, oder sogar giftigen Doppelgängern sicher unterscheiden können.
Noch mehr spannende Pilzwanderungen
- In Bad Laasphe steht das einzige Pilzmuseum in NRW und der Museumsleiter bietet auch spannende Exkursionen im Rothaargebirge an.
- Zwischen Pilzen – Genusswanderungen im Ferienland Schwarzwald. Pilze sammeln in einer der schönsten deutschen Urlaubsregionen.
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